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Yoga ist der spirituelle Aspekt von Ayurveda.
 
Ayurveda ist der therapeutische Zweig von Yoga“ David Frawley
 
 
 
Ayur-Veda (Wissenschaft vom Leben) ist die Bezeichnung des original indischen Systems der Heilkunde. Im Wesentlichen naturheilkundliche Medizin, betont Ayur-Veda zwar die Prävention, setzt aber nichtsdestoweniger auch zahlreiche kurative Arzneien und Therapien ein. Diese Heilkunde wird in Indien neben der modernen Medizin ausgeübt und denjenigen als Lebensweise empfohlen, die sich guter Gesundheit und Langlebigkeit erfreuen wollen.

Obgleich Ayur-Veda nicht als eine philosophische Tradition betrachtet werden kann, wurzelt er in der Hindu Philosphie. Traditionellerweise wird Ayur-Veda als ergänzendes Wissen dem alten Atharva-Veda beigeordnet. In dieser heiligen Schrift finden wir die frühesten Aufzeichnungen über Anatomie und kurative wie präventive Medizin.

Wegen seiner kulturellen Bedeutung ist Ayur-Veda manchmal als fünfter Zweig, als „fünfte Sammlung“ des vedischen Erbes betrachtet worden. Man nimmt an, dass der ayurvedische Wissenskodex ursprünglich 100.000 Vierzeiler beinhaltete, gesammelt in einem Buch von über tausend Kapiteln. Auch wenn die Heilkunde in der frühen vedischen Ära zweifellos ausgeübt wurde, blieb ein Werk solchen Umfangs nicht bis in unsere Zeit erhalten.

Die frühesten erhaltenen medizinischen Werke von enyklpädischer Breit sind die Sushruta Samhita und Caraka Samhita. Die ältesten Fragmende des Ersteren reichen bis in die vorbuddhistische Zeit zurück; in seiner gegenwärtigen Form wurde das Werk aber erst in den ersten Jahrhunderten der neueren Zeitrechnung zusammengestellt. Sushruta wird im Mahabharata Epos (1.4.53) als Enkel von König Gadhi und als Sohn des Weisen Vishvamitra beschrieben, was ihn etwa 62 Generationen vor dem Bharata Krieg, dh. ungefähr um 3000 v. Christus einordnen würde.

Der Name Sushruta bedeutet wörtlich „wohlverstanden“ und lässt vermuten, dass der Namensträger eine besondere Fähigkeit besaß, das vermittelte Wissen aufzunehmen und zu verstehen. Inwieweit die jetzt existente Sushruta Samhita den ursprünglichen medizinischen Wissensstand widerspiegelt, ist nicht geklärt. Jedoch wissen wir aus Hymnen des Rig-Veda und des Aharva-Veda, dass es in der vedischen Zeitperiode geschickte Ärzte gab.

Die Caraka-Samhita die ebenfalls öfters umgeschrieben wurde, erhielt ihre gegenwärtige Form um etwa 800 n. Chr. Aber ihr anerkannter Verasser Caraka lebte wahrscheinlich viele Jahrhunderte früher, da er der Leibarzt von König Kanishka (78-120 n.Chr.) gewesen sein soll. Carakas Name weist wohl auf die Gewohnheit der damaligen Ärzte hin – vielleicht nicht unbedingt die des beühmten Caraka selbst – , von Ort zu Ort zu reisen (cara), um ihre ärztlichen Dienste anzubieten.

Ähnlich wie der klassische Yoga, der aus acht „Gliedern“ besteht, unterteilt sich das ayurvedische Medizinsystem der Sushruta Samhita (1.1.5-9) zu Folge in 8 Zweige: Chirurgie, Behandlung von Nakcen und Kopfkrankheiten; von Krankheiten des Oberkörpers, der Arme und Beine; von Kinderkrankheiten; Therapien zur Neutralisierung schädlicher okkulter Einflüsse; Toxikologie; Therapien zur körperlichen Verjüngung als rasayana bezeichnet; und zur sexuellen Revitalisierung (vajikarana).

Die formale Ähnlichkeit zwischen Ayur-Veda und Patanjalis achtgliedrigen Yoga, die von einigen traditionalistischen Hindu Autoritäten hervorgehoben wird, erscheint rein zufällig. Trotzdem haben Ayur-Veda und Yoga eine Reihe von wichtigen Konzepten wie Techniken gemeinsam.

Das drückt sich entschiedenermaßen darin aus, dass sich die Autoren und Herausgeber der oben erwähnten medizinischen Werke der Philosophie der Yoga Samkhya Tradition bedienten. So scheint die Sushruta Samhita an einem Punkt ihrer Entstehungsgeschichte unter den Vorzeichen von Ishvara Krishnas dualistischem Denksystem, dargestellt in seiner Samkhya Karika, überarbeitet worden zu sein.

Die Caraka Samhita andererseits zeigt Anklänge an die Metaphysik des Samkhya Yoga aus epischer Zeit. An dieser Stelle sollte erwähnt werden, dass einige der früheren Sanskritkommentatoren glaubten, der gleiche Patanjali, der das Yoga sutra verfasste, habe dazu auch eine berühmte Abhandlung über Grammatik und eine über Medizin geschrieben.

Sowohl Ayur Veda als auch Yoga heben die Wechselbeziehung zwischen dem Körper und Verstand hervor. Körperliche Erkrankungen können den Verstand und das Gemüt nachteilig beeinflussen, und geistig-psyhcisches Ungleichgewicht kann zu Krankheiten aller Art führen.

Der ayurvedische Begriff eines gesunden Lebens besagt, dass es glücklich (sukha) und auch moralisch gut (hita) sein müsse. Ein glückliches Leben zeigt sich als körperlich wie geistig robust und kraftvoll, ausserdem als moralisch, ja gar als weise. Die innige Beziehung zwischen dem ethischen Verhalten und glücklichen Befinden wird in der Yoga Literatur ebenfalls betont.

Die Fachleute von Ayur-Veda empfehlen, ruhige Ausgeglichenheit, Selbsterkenntnis und Umsicht zu kultivieren. Heute würden wir vielleicht sagen, die Hindu Ärzte hatten etwas in ihre medizinische Theorie und Praxis aufgenommen, das von Abraham Maslow in jüngerer Zeit „Selbst-Aktualisierung“ genannt wurde, welches die Verwirklichung unseres Potenzials von ich-transzendierender Lieben, von Mitleid, Integrität, Kreativität und Ganzheit meint. Bereitwillig können wir anerkennen, dass ein so geführtes Leben eine gute Grundlage für das Streben nach dem spirituellen Ziel des Selbst-Gewahrwerdens (atma-jnana) darstellt.

Ein starkes Verbindungsglied zwischen Ayur-Veda und Yoga bildet die Theorie der verschiedenen Lebensströme (vayu) im Körper, die zur Zeit des Arthava Veda aufkam. Die ayurvedischen Fachleute führen im Allgemeinen dreizehn Strömungskanäle (nadi) an, in denen die unterschiedlichen Arten der Vitalenergie (prana) fliessen sollen, während die Schriften des Hatha Yoga gewöhnlich vierzehn solcher Hauptkanäle erwähnen. Häufig wird zwischen diesen Kanälen und grö0eren Verbindungsadern (dhamani), die Flüssigkeiten wie Blut usw. befördern, unterschieden. Das ayurvedische Modell eines solchen Netzwerkes von Kanälen unterscheidet sich stark vom tantrischen Modell, das spezieller für den subtilen Körper gilt.

Hatha Yoga erkennt, wie wichtig der jahreszeitlich richtige Beginn von Atemkontroll Übungen ist. Die medizinische Basis dafür wird vom Ayur Veda geliefert; ihm zufolge sind die körperlichen Säfte (dosha) jahreszeitlich bedingten Veränderungen unterworfen. Etliche spirituelle Yoga Texte beziehen sich gleichfalls auf das Konzept der doshas, wie zB. Die Yoga Bashya aus dem 5. Jh., die Krankheit als „Ungleichgewicht der Bestandteile oder der Aktivität der Sekrete (vasa) definiert. Vascapati Mishra erkläärt in seiner aus dem 9. Jh. datierenden Bearbeitung dieses Textes, dass die konstituierenden Bestandteile Luft (vata), Galle (pitta) und Schleim (kapha) in anderen Worten die doshas sind. Das ist rein medizinischer Jargon.

Aus Sicht des Hatha Yoga, der auf das angemessene körperliche Funktionieren Wert legt und sich häufig auf die doshas bezieht, stellt sich Gesundheit als die richtige Balance zwischen den körperlich konstituierenden Elementen dar. Diese finden sich zwar im gesamten Körper, aber an unterschiedlichen Stellen konzentriert. So herrscht vat in Nervensystem, Herz, Dickdarm, Lunge, Blase und Becken vor; pitta dominiert in Leber, Milz, Dünndarm, ednokrinen Drüsen, Blut und Schweißabsondrung; kapha in Gelenken, Mund, Kopf und Nakcen, in Magen, Lymphe und Fettgewebe. Vata neigt zur Ansammlung unterhalb des Nabels, kapha konzentriert sich meist oberhalb des Zwerchfells und pitta zwischen Zwerchfell und Nabel.

Zusätzlich zu den drei doshas geht Ayur Veda von sieben Arten der Gewebe (dhatu) und drei unreinen Substanzen aus. Die dhatus umfasen Blutplasma (rasa), Blut (rakta), Fleisch (mamsa), Fett (meda), Knochen (ashti), Knochenmark (majjan) und Samen (shukra). Die malas oder Ausscheidungsstoffe sind Exkremente (purisha), Urin (mutra) und Schweiß (sveda). All diese körperlichen Komponenten werden gelegentlich ebenfalls in der Yoga Literatur erwähnt.

Das gilt auch für die verwundbaren, sensitiven Köperzonen (marman), die bereits im Rig-Veda (6.75.18) angesprochen werden. Dem Ayur-Veda folgend gibt es 107 marmans – vitale Verbindungen zwischen Fleisch und Muskeln, Knochen, Gelenken und Sehnen sowie Blutgefäßen. Ein harter Schlag gegen einige dieser marmans kann zum Tod führen, ein Sachverhalt, der auch im Gehiemwissen der chinesischen und japanischen Kampfkünste eine Rolle spielt. Die südindische Praxis der kampfkunst, kalaripayattu (in der Tamil Sprache), geht von 160 bist 220 solcher sensitiven Körperpunkte aus. Ihr System sieht den Körper aus drei Schichten zusammengesetzt, nämlich aus dem leicht beweglichen Körper (einschließlich Gewebe und Ausscheidungsstoffen), dem festen Körper aus Muskeln, knochen und den marmans und  dem feinstofflichen Körper, der aus den nadis und den Sammelpunkten der Lebensenergie besteht. Die Verletzung eines marman unterbricht den Fluss der Lebensenergie und verursacht damit ernste körperliche Probleme, die tödlich enden können. Manchmal kann ein sofortiges Klatschen auf die verletzte Zone den Fluss der Lebensenergie wiederherstellen und so das Schlimmste verhindern. Die marmans hängen vom prana Fluss ab: Ohne prana gibt es keine marman. Der Fluss der Lebenskraft durch diese sensitiven Punkte wird vom Mond kontrolliert. Ähnliche Aussagen finden wir in der alten Sexologie der Hindus, die die Stimulierung gewisser sensitiver Bereich des weiblichen Körpers nur zu bestimmten Montagen empfiehlt.

Einige Yoga Schriften – zB die Shandilya Upanishad (1.8.1 f.) – sprechen von 18 marmans, und der yogin soll, wie es die Kshurika Upanishad ausdrückt, mittels der „scharfen Schneide des Verstands“ durch diese vitalen Punkte schneiden. Das heisst mit anderen Worten, dass hier die marmans offensichtlich als Blockaden des Lebensenergie Flusses gesehn werden; sie sind durch Konzentration und Atemkontrolle zu entfernen.

Ein wichtiges, von Ayur Veda wie auch vom Yoga geteiltes Konzept ist ojas – jene Vitalenergie, die bereit im Arharva Veda (2.17.1) erwähnt wird. Beide Systeme suchen ojas (die „niedrigere“Art) durch verschiedene Mittel zu vermehren. Yoga empfiehlt meist die sexuelle Enthaltsamkeit zwecks Intensivierung der Vitalenergie :o) Ojas nimmt mit dem Altern ab und wird auch durch Hunger, mangelernährung, Überarbeitung, Ärger und Sorgen, also durch all die körperlich-geistigen Umstände, die die Lust am Leben mindern, reduziert. Bei positiven Bedingungen wird ojas und damit Gesundheit erzeugt. Falls ojas für längere Perioden beeinträchtigt ist, kommt es zu degenerativen Krankheiten und vorzeitigen Altern.

Ojas verteilt sich im ganzen Körper, wird aber speziell im Herzen gespeichert, dem (physischen ) Ankerplatz des Bewusstseins. Cakrapani führt in seinem Kommentar zur Caraka Samhita aus, dass sich eine Handvoll an „niederem ojas“ im Körper, jedoch nur acht Tropfen des „höheren“ ojas“ im Herzen finden. Die gerinfügigste Verschwendung dieser wertvollen Vitalenergie verursacht den Tod, wie er sagt, denn die Energie kann nicht regeneriert werden.

Zudem haben Hatha Yoga und Ayurveda gewisse Reinigungstechniken gemeinsam, besonders die Praxis des selbst herbeigeführten Erbrechens (vamana) und der physischen Purifikation (dhauti). Unter anderem wirken die Reinigungen heilsam auf den körperlichen Stoffwechsel. Der Ayur Veda kennt ausßerdem dreizehtn Formen innerer Hitze (agni), unter denen die Verdauungshitze (jathara agni) von Fachleuten des Hatha Yoga öfters erwähnt wird.

Körperliches Wohlbefinden (arogya) ist gewiss eine der Vorbedingungen und auch einer der unmittelbaren Zwecke des Hatha Yoga. Selbst Patanjali beschreibt in seinem Yoga Sutra (3.46) die „diamantharte Robustheit“ des Körpers als einen der Aspekte der körperlichen Vollkommenheit (kaya sampad). In einem anderen Aphorismus (2.43) sagt er über die Vervollkommnung von Körper und Sinnen, dass sie aus der Reduzierung von Unreinheiten mittels der Askese resultiere.

Ausserdem stellt er fest (2.38), dass Vitalität (virya) durch sexuelle Abstinenz gewonnen wird. Im Aphorismus 1.30 wiederum führt Patantjali Krankeit (vyadhi) als eine der Ablenkungen (vikshepa) des Geistes an, die ein Fortschreiten im Yoga verhindere.

Die Schrift Shiva Svarodaya, ein mehrere hundert Jahre altes yogisches Werk, empfiehlt die Atemkontrolle als das geeignetste Mittel um Wohlbefinden zu gewinnen und es aufrechtzuerhalten, um okkultes Wissen und okkulte Fähigkeiten sowie selbst Weisheit und Seelenbefreiung zu erlangen. Ein Vers (314) sagt über die svarodaya Technik – von svara („Klang des Atems“) und udaya („aufsteigend“) -, es sei eine von den siddha yogins gepflegte Wissenschaft.

Im Yogatext Sat Karma Samgraha („Kompendium der richtigen Handlungsakte“) beschreibt Cidghanananda, ein Schüler von Gaganananda aus der Natha Sekte, eine ganze Reihe von Reinigungstechniken. Diese sollen alle Arten von Erkrankungen, wie sie aus schierem Pech entstehen oder aus Unachtsamkeit bezüglich der vorgeschriebenen Ernährungs- und sonstigen Regeln – etwa jene des richtigen Ortes und der richtigen Zeit – entweder abwehren oder heilen. Cidghanananda rät dem yogin, zuerst Yoga Stellungen (asana) und okkulte Meditation anzuwenden, um sich selbst zu heilen. Falls dies nicht hilft, solle er mit den im Text dargelegten Techniken fortfahren.

Die Verbindung zwischen Yoga und Ayur Veda wird im Ayur Veda Sutra, einem Werk aus dem 16. Jh. von Yogananda Natha, eindeutig bestätigt. Darin macht der Verfasser speziell Gebrauch von Patanjalis Yoga Sutra und forscht nach der gesundheitlichen Effizienz von Ernährungsweisen und vom Fasten. Die Nahrung wird hinsichtlich des je und je in ihr enthaltenen guna Anteils untersucht. Die gunas – sattva, rajas und tamas – sind auch Bestandteil der medizinischen Theorie des Ayurv Veda. Ein Ungleichgewicht der für den Körper wesentlichen humoralen Flüssigkeiten deutet auf ein Ungleichgewicht der gunas hin, und umgekehrt. In gewisser Weise entsteht auf der Tanszendental Ebene der Natur (pakriti pradhana) befinden diese sich in vollkommener Balance. Manchmal werden die drei Humoral Säfte (doshas) als somatische Defekte und die drei gunas als geistig-psychische Schwachpunkte gesehen. Die beiden korrespondieren einander wie folgt: Luft-sattva, Galle-rajas; Schleim-tamas.

Eine der ayurvedischen Therapien, die mit dem Hatha Yoga Ideal eines langlebigen, wenn nicht gar unsterblichen Körpers innig verbunden ist, heißt kaya kalpa – ein rigoroses Verjüngungsritual mit langwährender Isolation in Dunkelheit, drastischen Ernährungseinschränkungen und geheimen Arzneien. Der zeitgenössische Heilige Tapasviji Maharaj hat sich, wie berichet wird, dieser Behandlung mehrmals unterzogen, und er tauchte jedes Mal rundherum verjüngt aus seiner einsamen Isolation in einer dunklen Hütte auf.

Die enge Verbindung zwischen Ayur-Veda, Yoga und Alchemie (rasayana, von rasa = „Essenz“ oder „Quecksilber“ und ayana=“Kurs“) wird in der mittelalterlichen Siddha Tradition Nordindiens besonders deutlich. Die Anhänger dieser besonderen Tradition suchten durch eine hochentwickelte psychophysiologische Technik, kaya sadhana oder „Körper Zucht“ genannt, Schulen des Hatha-Yoga, der somit geradezu auch als präventiv medizinischer Zweig der hinduistischen Heilkunde betrachet werden kann. Interessanterweise trägt ein Buch über Medizin – von einem gewissen Vrinda – den Titel „Siddha Yoga“. Eine weitere medizinische Abhandlung, Nagarjuna zugeschrieben, hat den Titel „Yoga Shataka“ („Jahrhundert /von Versen/ über Yoga“).

Südindien brachte ein zweites unabhängiges Medizinsystem hervor, ein Pendant zum Ayur Veda und mit der Siddha Tradtion von Tamil Nadu nebst angrenzenden Regionen verbunden. Noch mehr als Ayur Veda zeigt es eine starke Nähe zur Alchemie und setzt eine große Zahl von Arzneien ein, die aus Vegetabilien und Chmikalien gewonnen werden. Seine drei diagnostischen und therapeutischen Hauptmittel sind Astrologie, Mantren und Drogen, in tamilischer Sprache mani, mantiram und maruntu. Es wendet dazu auch Atemkontrolle und asanas an.

Dieses rivalisierende, noch kaum erforschte Medizinsystem wurde vom legendären Weisen Akattiyar (in Sanskrit:Agastya) begründet, dem man über 200 Werke zuschreibt. Er ist der erste von 18 siddhas, bzw. vollendeten Meistern, die im Sücen des indischen Subkontinents verehrt werden. Es gab tatsächlich einen alten Seher namens Agastya, der mehrere Hymnen des Rig Veda schuf, und darin blieb sogar eine Unterhaltung zwischen ihm und seiner Gattin Lopamudra erhalten (1.179). Die archaische Erinnerung stellt ihn als kleinwüchsig dar, und die Ikonographie portraitiert ihn als Zwerg. Agastyas name wird seit alters mit Sücindien assoziiert, wo er so hoch geachet wird wie Matsyendra Nahta im Norden.

Teraiyar, traditionellerweise als einer von Agastyas Schülern betrachet, aber wahrscheinlich sehr viel später, im 15. Jah. n. Chr. lebend, war ein Adept und berühmter heiler. von seinen vielen Schriften stehen nur noch zwei komplett zu Verfügung: Cikamanivenpa und Natikkottu (über Pulsdiagnose).

Ein Fragment der Noyanukativi (über Hygiene) hat auch überlebt. In diesem letzeren finden sich folgende Verse:

Wir werden nur zweimal täglich essen, nicht dreimal;

Wir werden nur nachts schlafen, nicht am Tag;

Wir werden nur einmal im Monat Geschlechtsverkehr haben;

Wir werden Wasser nur zu den Mahlzeiten trinken,

auch wenn es uns sonst dürstet;

Wir werden keiner Pflanze Knollenwurzel essen, außer die von karanai;

Wir werden keine unreifen Früchte essen, außer der zarten Pisang-Banane; wir werden nach einem schönen Mahl immer kurz spazieren gehen.

Was hat der Tod dann mit uns im Sinn?

 

Einmal in sechs Monaten nehmen wir ein Brechmittel;

Einmal in vier Monaten nehmen wir ein Abführmittel;

Einmal in anderthalb Monat nehmen wir einen Naseneinlauf vor;

Zweimal in zwei Wochen lassen wir uns den Kopf rasieren;

Einmal alle vier Tage salben wir uns ein und baden;

Jeden dritten Tag malen wir die Augen mit khol an;

Nie werden wir Düfte oder Blumen in der Nacht riechen.

Was hat der Tod dann mit uns im Sinn?

Aus den obigen Zeilen wird ersichtlich, dass es den siddhas von Südindien, genauso wie ihren äquivalenten Partnern im Norden, sehr um Langlebigkeit ging; sie erstrebten sogar die Unsterblichkeit in einem verwandelten Körper.

 Quelle: Die Yoga Tradition, Georg Feuerstein