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>> Ayurveda  a system of traditional Medicine <<

Was verstehen wir heutzutage unter Ayurveda ?

Betrachtet man den gegenwärtigen Gebrauch des Begriffes Ayurveda, so kann man vier Bedeutungen unterscheiden:

 

1. Äyurveda bezeichnet eine traditionelle gelehrte medizinische Wissenschaft im Indischen Kulturbereich. Auch heute noch wird Äyurveda gelegentlich im traditionellen Kontext gelernt. Eine solche Ausbildung erfolgt meist in engem persönlichen Kontakt zu einem Lehrer und ist eingebettet in eine umfassende traditionelle Bildung. Beispielsweise werden eine solide Kenntnis der klassischen grammatischen Wissenschaft des Sanskrit und der klassischen indischen Philosophie als Voraussetzungen für diese Art der traditionellen Ausbildung angesehen. Grundlage für diese Ausbildung sind die klassischen Texte der Äyurvedischen Wissenschaft, die in Sanskrit verfasst sind.

2. Äyurveda ist heute ein eigenständiges professionalisiertes Medizinsystem in Indien. Im 19. und 20. Jahrhundert hat der Äyurveda in Indien einen tiefgreifenden Wandel erfahren, der äußerlich dadurch gekennzeichnet ist, daß die Äyurvedische Ausbildung und Berufsausübung nach dem Vorbild der Biomedizin professionalisiert wurde. So wird Äyurveda heutzutage an Hochschulen gelehrt und nach einem fünfeinhalbjährigen Studium kann die Approbation als Äyurvedischer Arzt (B. A. M. S., d. h. „Bachelor of Ayurvedic Medicine and Surgery“) erlangt werden. Zudem existieren auch eigene Äyurvedische Ärztekammern und Forschungsräte.

3. In Europa und Nordamerika ist in den letzten zwei Jahrzehnten eine besondere Form des Äyurveda verbreitet worden, die man in Anlehnung an Kenneth G. Zysk (Zysk 2001) „New Age Ayurveda“ nennen kann. Diese Spielart des Äyurveda ist gekennzeichnet durch eine übermäßige Betonung von Spiritualität. Die klassische Äyurvedische Tradition hat im Gegensatz dazu die religiös-spirituellen Aspekte immer von der ayurvedischen Heilkunde unterschieden.

„Der klassische Äyurveda in Indien hat die medizinische Ausbildung des Äyurveda bewusst getrennt von der spirituellen und religiösen Disziplin der yogischen Askese.“

4Kenneth Zysk, Indologe (2001, p.24)

4. Ebenfalls in Europa und Nordamerika wird Äyurveda in den letzten Jahren oft in den Bereich von „wellness“, d. h. Maßnahmen zur Erhaltung und Steigerung von Wohlbefinden, eingeordnet. Dabei wird die heilkundliche und therapeutische Dimension des Äyurveda vollkommen außer Acht gelassen.

 

Quelle: Kenneth Zysk,Kenneth G.Zysk: Medicine in the Veda. Religious Healing in the Veda

 

             Geschichte des Ayurveda

Ayurveda („Wissenschaft vom Leben“) wird seit mindestens 2000 Jahren im indischen Kulturbereich als Heilkunde und Gesundheitslehre praktiziert.

Die Lehre des Vastu (Architektur und Wohlbefinden) ein Vorläufer des Feng Shuis reicht zB. bis 7000 v. Chr. zurück.

Aus diesem Grund ist Ayurveda auch ein Entwicklungsprozess aus immer wieder Gelernten, Gehörtem (bzw. Überlieferten), Gesehenem und Ergänztem.

In den vergangenen Jahren ist somit eine umfangreiche Fachliteratur entstanden, die durch die beständige Vervollkommnung und Ergänzung daher noch bis zum heutigen Tag Bestand hat.

Durch diesen beständigen Prozess der Wandlung und Ergänzung die dem kulturellen asiatischen Kulturkreis eigen ist, ist somit auch keine Erstarrung gegeben, wie im westlichen Kulturkreis.

Somit gleicht es auch dem Leben, das stetige Veränderung und Erneuerung darstellt und lebt. Dies ist somit auch in der ayurvedischen Fachliteratur gegeben.

Dadurch muss man auch die historische Sichtweise des Ayurveda diffiziler betrachten.

In der indischen Kultur ist die Geschichtsschreibung aus vorgenannten Gründen nicht vorhanden. Abgesehen davon herrscht im Osten die Auffassung das „echtes“ oder „reines“ Wissen zeitlos vorhanden ist.

Entgegen dem europäischen Raum, bzw. dem Westen war es insofern gleichgültig, zu welcher Zeit, von welcher Person erfunden, erdacht oder entdeckt worden ist.

Natur und das damit verbundene Wissen ist vorhanden und kann von da her gar nicht „entdeckt“ werden.

Aus diesem Grund ist es gar nicht so einfach die vorhandene Fachliteratur zu datieren. Zumal auch die Texte in einer zuordenbaren zeitlich begrenzten Schrift, sondern wie alle vedischen Texte in sanskrit verfasst sind.

Eine kulturelle Hochsprache deren Quellen ebenfalls bis jahrtausende v. Chr. zurückreichen.

Aus diesem Grund lassen sich zeitliche Einordnungen der Schriften gegebenenfalls durch eingeflossen Zitate oder Reiseberichte von Pilgern, Inschriften oder Übersetzungen ins buddhistische, arabische tibetanische oder mitteliranische.

Diese Übersetzungen geben wertvolle Anhaltspunkte über die datierbare historische Einordnung.

Aus diesem Grund ist auch in der historischen und philologischen Erforschung noch einiges im Fluss. Nachstehend ist ein kurzer und vorläufiger Überblick der Uniklinik Kassel bezüglich in 4 Epochen der historischen Entwicklung Ayurvedas wiedergegeben:

 

I. Vor- und Frühgeschichte des Äyurveda

II. SamhitÄ-Zeit (bis 6./ 7. Jh.)

II.A Caraka-SamhitÄ

II.B Suśruta-SamhitÄ

II.C AshtÄnga Sangraha und AshtÄnga hrdayam daya samhitÄ des VÄgbhaha

II. D Sonstige frühe Äyurveda-Literatur

III. „Mittlere“ Periode (7./ 8. – ca. 19. Jh.)

III.A MÄdhavanidÄna

III.B ŚÄrgadhara-SamhitÄ

III.C BhÄvaprakÄśa

III.D Cakradatta

III.E Äyurvedische Therapiehandbücher

III.F Äyurvedische Materia medica (Nighantu)

III.G Sonstige Äyurvedische Literatur

IV. Neuzeit (Seit dem 19. Jh.)

IV.A Äyurveda in der Kolonialzeit

IV.B „Śuddha Äyurveda“ und „Integrated medicine“ – Äyurvedische Kontroversen im 20. Jh. und gegenwärtige Situation in Indien

IV.C Internationale Verbreitung des Äyurveda

5 Ananda Samir Chopra Äyurveda-Klinik, Kassel

Vor- und Frühgeschichte des Ayurveda

In den 20-er Jahren des vorigen Jahrhundert musste das Bild der indischen frühen Geschichte fundamental umgeschrieben werden.

Im Zuge der Ausgrabungen der sogenannten Industalkultur der Harappa-Kultur wurden im Nordwesten Indiens im heutigen Pakistan fand man eine bemerkenswert erstaunlich hochentwickelte urbane Kultur wieder. Die wichtigsten Ausgrabungen erfolgten an den Orten Mohenjo Daro und Harappa, deren Kultur über weite Teile Nordwestindiens verbreitet war, und sich auf das 2. und 3. Jahrtausend vor Christi datieren lässt.

In der Blütezeit waren systematisch angelegte Städte mit Kanalisationssystem für Abwässer und Häuser mit Bädern schon vorhanden. Dies lässt auf ein gesundheitliches Hygienesystem schließen, Ebenso folgt auch der Schluss auf Zahnmedizin und Heilkunde. Ein genauer Aufschluss dieser Kultur ist insofern derzeit nicht möglich, da die diesbezüglichen Schriftzeugnisse noch nicht entziffert wurden.  

5 Quelle: Ananda Samir Chopra Äyurveda-Klinik, Kassel

Über die Veden ( sanskrit: veda „Wissen“)

Prägend für die indische Kultur sind  allemal seit jeher Völkerwanderungen gewesen. Völkerwanderungen fanden in den Subkontinent ab ca. 1800 vor Christi von Nordwesen statt.

Diese sind nicht in einer Einwanderungswellen, sondern in mehreren Bewegungen zu verstehen über einen langen Zeitraum. Die zurechenbaren Völker bezeichnen sich selbst als „arya“ (sanskrit: „edel“, „gastfrei“) und begründen auch über eines der wichtigsten Kulturgüter Indiens, die Veden. Deren ursprüngliche Gestalt (1500 – 800 v. Chr.) ist heute noch gültig. Die ältesten Teile der Veden sind die sogenannten Samhitas ( sanskrit: „Sammlung“). Wissenschaftlich betrachtet meint man nur diese alten Schriften die Hymnen und Texte über  Bräuche, Riten  und religiöse Rituale beinhalten.

Im engeren Sinne handelt es sich um die 4  (Haupt) Veden:

1. Rigveda (sprich: Rigveda): Die älteste vedische Hymnensammlung enthält 1028 Hymnen, die bei der Opferzeremonie rezitiert werden. Einzigartig in der Geschichte der Menschheit ist, dass der Wortlaut der Hymnen des _gveda von etwa 1200 v. Chr. bis in die heutige Zeit absolut exakt mündlich überliefert wurde. Die vedischen Schulen verwendeten große Mühe darauf, die korrekte Aussprache jeder Silbe und jedes Wortes über hunderte Generationen mündlich zu überliefern. Moderne sprachwissenschaftliche Untersuchungen bestätigen, dass wir hier in der einmaligen Lage sind, zu wissen und zu hören, wie eine Sprache vor rund dreieinhalbtausend Jahren geklungen hat.

2. SÄmaveda: Der SÄmaveda enthält Hymnen, die bei der Opferzeremonie auf besondere Melodien gesungen wurden. Inhaltlich besteht der größte Teil des SÄmaveda aus Hymnen des Riggveda.

3. Yajurveda (sprich Jadschurveda): Dieser Veda enthält Sprüche, die bei bestimmten Opferhandlungen zu sprechen sind. Der Yajurveda liegt in zwei verschiedenen Versionen vor.

4. Atharvaveda: Im Atharvaveda sind vor allem Hymnen gesammelt, die bei häuslichen Riten verwendet wurden. Ursprünglich stammt dieser Veda also nicht aus der Sphäre der Priester und großen Rituale. Das mag erklären, warum der Atharvaveda später als die anderen drei Veden in den Rang eines Veda aufstieg.

5 Quelle: Ananda Samir Chopra Äyurveda-Klinik, Kassel

„Nach traditioneller Auffassung sind die Veden, die den Hindus heilig sind, nicht von Menschen geschaffen worden, sondern „nichtmenschlichen“ (Sanskrit apauruseya) Ursprungs. Von großen Weisen, den so genannten Rishis sind sie „geschaut“ worden. Im Anschluss an diese ältesten Teile der Veden entwickelt sich eine umfangreiche Literatur vielfältiger Art.

 In der traditionellen Überlieferung unterscheidet man innerhalb der Veden vier Schichten, die oben genannten Samhitas bilden dabei die älteste Schicht. Es folgen die so genannten BrÄhmanas, die Beschreibungen der Opferzeremonien enthalten ebenso wie Hinweise zur Ausführung des Rituals und auch manche Legende. In den BrÄhmanas finden sich auch die ersten Anfänge traditioneller indischer Wissenschaft.

Die Äranyakas (Sanskrit ungefähr „Waldtexte“) beschäftigen sich mit der inneren Bedeutung der Opferzeremonien über die man, etwas vereinfacht gesagt, in der Waldeinsiedelei nachsinnen soll.

Die jüngste Schicht der vedischen Literatur bilden traditionell die Upanisaden (Sanskrit: upanisat („Geheimlehre“). In diesen Texten finden sich sehr unterschiedliche, durchaus auch gegensätzliche, Lehren etwa zu Fragen nach dem Verhältnis des Menschen zu Gott, zur Beschaffenheit der Seele und zum Leben nach dem Tode. Die Upanisaden bilden damit eine der ältesten Quellen der indischen Philosophie.

Um die vedische Literatur herum entstehen vedische Hilfswissenschaften, die VedÄngas (Sanskrit „Glied des Veda“).

Die klassische Auffassung kennt folgende sechs VedÄngas:

 

1. ŚiksÄPhonetik zur Lehre der korrekten Aussprache der vedischen Hymnen.

2. Kalpa –  die Ritualwissenschaft zur korrekten Durchführung der Opferzeremonie.

3. Niruktadie Etymologie zur Erklärung seltener und schwieriger Worte in den vedischen Texten.

4. VyÄkarana – die Grammatik zur korrekten Wortbildung und Wortanalyse.

5. Jyotisa die Astronomie und Astrologie zur Feststellung d. korrekten Zpt. für die ved.  Zeremonien

6. Chandasdie Metrik zur Analyse der Versmaße der vedischen Hymnen.

Es mag daher nicht verwundern, dass im Bereich der Sprachwissenschaft eine der größten wissenschaftlichen Leistungen der alten Inder zu finden ist, nämlich die berühmten Grammatik des PÄnini (wahrscheinlich um 500 v. Chr.)

Paninis systematische wissenschaftliche Beschreibung der Sanskritsprache ist in Form außerordentlich kurzer Leitsätze verfasst, die an mathematische Formeln erinnern.

Die Grammatik des PÄnini war in den folgenden Jahrhunderten und Jahrtausenden nicht nur die Standardgrammatik für das Sanskrit, sondern sie wirkte auch über das Gebiet der Sprache hinaus. Insbesondere die Technik, ein Lehrbuch in kurzen Leitsätzen zu verfassen um die Wissenschaft systematisch darzustellen, stellte für alle traditionellen indischen Wissenschaften ein unerreichtes Vorbild dar, nach dem Lehrbücher verfasst wurden.“

Heilkunde im Veda

Aus den vedischen Texten wissen wir, dass es in dieser Zeit eine Vielzahl heilkundlicher Aktivitäten gab. Allgemein gesprochen herrscht in dieser Epoche eine religiös-magische Heilkunde vor. Das Entstehen von Krankheiten wird zum Beispiel dadurch erklärt, dass ein Dämon vom Menschen Besitz ergriffen, hat oder eine Gottheit ein Vergehen straft. Die Therapie besteht darin, dass der Dämon ausgetrieben oder die zürnende Gottheit besänftigt wird. Dies geschieht etwa durch Beschwörungen, Opferzeremonien, Amulette und ähnliches. Auch Pflanzen und ihre Bestandteile werden in diesem Zusammenhang therapeutisch eingesetzt.

Veda und Ayurveda

Man muss hier deutlich feststellen, dass es einen sehr deutlichen Unterschied zwischen der Heilkunde in der alten vedischen Zeit und dem eigentlichen Äyurveda gibt !

Manche Krankheitsbezeichnungen und manche Anschauungen der vedischen Zeit leben zwar weiter, doch weist der Äyurveda grundsätzlich ein vollkommen anderes Weltbild auf, als die Heilkunde der vedischen Zeit. Etwas vereinfacht könnte man sagen, dass die Heilkunde der vedischen Zeit Krankheiten durch die Aktivität von Göttern und Dämonen erklärt, die ausgetrieben oder besänftigt werden müssen, während der „klassische“ Äyurveda physiologische Prozesse im Menschen betrachtet und eine Wiederherstellung der gesunden Funktionen beabsichtigt. Bis auf wenige Ausnahmen benötigt der Äyurveda der klassischen Zeit keine übernatürlichen Kräfte um Krankheit und Gesundheit zu erklären, Grundlage ist vielmehr die genaue Beobachtung von Mensch und Natur. Der Indologe Kenneth G. Zysk charakterisiert den Äyurveda deshalb als eine „empirisch-rationale“ Heilkunde im Gegensatz zur „magisch-religiösen“ Heilkunde des Veda.

Auch wenn sich also keine direkte Verbindung zwischen dem alten Veda und dem Äyurveda aufzeigen lässt, darf man die Bedeutung des Veda für den Äyurveda und die indische Kultur nicht unterschätzen. Mit einiger Berechtigung wird deshalb gelegentlich diese ganze Kultur als „vedische Kultur“ bezeichnet.

Die Begriffe „Veda“ und „vedisch“ werden damit nicht nur für eine Textgattung verwendet, sondern für eine kulturelle Tradition. In der alten indischen Kultur gilt der Veda als das Wissen schlechthin, als heiliges Wissen.

Das Ansehen des Veda in der indischen Kultur ist so groß, dass sich in späterer Zeit viele Künste und Wissenschaften als Veda bezeichnen. Die Schauspielkunst wird dann etwa tyaveda genannt und möchte der fünfte Veda sein, die Musik wird als GÄndharvaveda bezeichnet, die Waffenkunde als Dhanurveda. In dieser Tradition steht nun auch die Heilkunde, wenn sie sich als Äyurveda bezeichnet.

In einem der ältesten bekannten Äyurvedischen Texten wird der Äyurveda als „Nebenglied“ des Atharvaveda beschrieben (Suśruta-SamhitÄ, Sū. 1.6) und damit in eine Verbindung zu den alten vier Veden gebracht. Der Äyurveda soll vom Schöpfer selbst geschaffen worden sein, so berichten alle drei alten Autoren. (siehe „Vyasa“ – „das Gehörte“)

Im Gegensatz zum Vedawort gilt der Äyurveda jedoch nicht als ewig und unwandelbar, auch hierin mag man den eher „empirisch-rationalen“ Zugang des klassischen Äyurveda erkennen.

Eine der immer noch unbeantworteten Fragen der indischen Medizingeschichte ist, wie es zur Entstehung dieses „empirisch-rationalen“ Äyurveda gekommen ist. Die ältesten bekannten Äyurvedischen Werke (siehe unten) beschreiben im Großen und Ganzen schon ein differenziertes, ein „fertiges“ System. Wir kennen bisher keine Werke, in denen wir die Entstehung dieser Äyurvedischen Wissenschaft beobachten könnten. Es scheint wahrscheinlich, dass die Entwicklung zur eigenständigen Äyurvedischen Wissenschaft außerhalb der vedischen Schulen, in so genannten „heterodoxen“, vielleicht auch naturphilosophischen Kreisen erfolgt ist. Die von Kenneth Zysk vertretene These (Zysk 1998), diese Entwicklung sei im buddhistischen Orden erfolgt, überzeugt indes nicht ganz. Die frühe buddhistische Literatur ist sicher eine wertvolle Quelle, der wir manches über heilkundliche Vorstellungen zur Zeit des frühen buddhistischen Ordens entnehmen können (siehe auch Jyotirmitra 1985, dessen allgemeine historische Perspektive allerdings nicht haltbar ist). Doch das von Zysk untersuchte Material lässt nicht den Schluss zu, dass Äyurvedische Anschauungen auch in diesem Umfeld entstanden sind.. Auch der eher urbane Charakter des klassischen Äyurveda passt nicht ganz zur Mönchsdisziplin des Buddhismus.

6 Quelle: Ananda Samir Chopra Äyurveda-Klinik, Kassel

II. Samhita – Zeit

Aus einer Entwicklung über mehrere Generationen heraus wie sie voran beschrieben wurde, gingen nun die bedeutendsten Kompendien hervor.

Wiederum sind diese Schriften entgegen dem Westen nicht als eine Sammlung vieler medizinischer Werke und Lehrmeinungen zu verstehen, sondern als systemische Beschreibung. Die Diagnoseverfahren und Therapien des Ayurveda unterziehen sich zwar einer Wandlung, jedoch die Systematik und Grundsätze haben bis zum heutigen Tag Bestand. Dieses Konglomerat zwischen Beständigkeit und Erneuerung, Substanz und Kraft ist in vielen Kulturen zu beobachten und wert sich mit dieser Sichtweise zu beschäftigen.

Die drei bedeutendsten Autoren des Ayurveda bezeichnet man als die „grosse Dreiheit“. Diese drei Personen sind historisch nicht erfasst, und von Legenden umrankt.

Man geht jedoch heutzutage davon aus, dass es sich bei Caraka, Sushruta und Vaghbaha um Ärzteschulen handelt. Da jedoch von Vaghbaha zwei Werke hervorgehen, entspringen aus der „grossen Dreiheit“ vier Werke.

Diese Werke werden bis heute noch erforscht und sind aus diesem Grund nicht nur von historischen Interesse.

II. A „Caraka Samhita“

Das älteste Werk des Ayurveda („Sammlung des Caraka“) besteht aus 120 Kapiteln und auf acht Bücher aufgeteilt. Man beachte auch die Systematik des „astanga“, den achtgliedrigen Pfad, der viel später auch im Yoga von Pantanjali aufgenommen wurde. Die Caraka Samhita soll einer chinesichen Übersetzung nach noch auf ein älteres Werke zurückzuführen sein, dem Agnivesha Samhita mit 46.000 Versen, das aber nicht mehr existiert.

  • 1. Sutrasthanam (Buch von den Leitsätzen),
  • 2. Nidanastanam (Buch von den Krankheitsursachen), das Fundament v. Ayurveda
  • 3. Vimanasthanam (Buch vom Maß), Diagnostik
  • 4. Sarirasthanam (Buch vom Körper), Studium des menschlichen Körpers
  • 5. Indriyastanam (Buch v. d. besonderen Kennzeichen), Zeichen d. nahenden Todes
  • 6. Cikitsasthanam (Buch von der Therapie), Therapeutik
  • 7. Siddhisthanam (Buch von der erfolgreichen Behandlung), panchakarma
  • 8. Kalpasthanam (Buch v. d. Zubereitung der Arznei) Präperationen für Emesis und Purgation

Obwohl diese übersichtliche und sinnige Gliederung eine übersichtliche Systematik nahe legt kommt hier jedoch die Bezeichnung Samhita (Sammlung) zu tragen.

 

 

In der Caraka-Samhita, wie sie uns heute vorliegt, lassen sich mindestens drei Textschichten unterscheiden:

Der Lehrende in der Caraka-SamhitÄ ist Punarvasu Ätreya. Dieser lehrt seinen Schüler Agniveśa, der im Text als Fragender auftritt und ein Werk verfasst, das wohl den Namen Agniveśa-tantra (Buch des Agniveśa) trug. Dieses Werk ist wahrscheinlich von Caraka, wahrscheinlich in der Zeit um Chr. Geburt überarbeitet worden. Doch damit nicht genug, im 4./ 5. Jh. wird das Werk von Dahbabala noch einmal überarbeitet und ergänzt. Nach Aussage des Textes überarbeitet dieser das gesamte Werk und fügt Teile des 6. Buches und die beiden letzten Bücher hinzu.

Die Caraka-SamhitÄ ist ein umfassendes Lehrbuch des Äyurveda mit Ausnahme der Chirurgie. Eine wichtige Rolle spielen Diätetik und Prophylaxe, in der Therapie werden vor allem eine Fülle pflanzlicher Präparationen eingesetzt. Auch philosophische Themen nehmen einen breiten Raum ein, wobei aber die philosophischen Lehren der Caraka-SamhitÄ sich nicht einer einzelnen der später systematisierten – Schulen indischer Philosophie zuordnen lassen. Eine besondere Bedeutung sind in den naturphilosophischen Lehren zuzuordnen.“

7 Ananda Samir Chopra Äyurveda-Klinik, Kassel

II. B „Sushruta Samhita“

Die Sushruta Samhita umfasst in der heutigen Form 186 Bücher in sechs Kapiteln. Dieses Buch geht auf den Mediziner Sushruta zurück, der wahrscheinlich im frühen 6. Jh. Vor Christi lebte. Sushruta beschreibt viele Operationen und 121 Operationsinstrumente. Unter den Operationen, die er beschreiben hat, sind Star, Bruch, Steinschnitt, Kaiserschnitt etc. Instrumente die er beschreibt sind u.a. Sonden, Zangen, Lanzetten, und Katheter. Er übertrug auch Haut von anderen Körperstellen auf ein beschädigtes Ohr und entwickelte die Nasenplastik.

  1. Sutrasthanam, Buch der Leitsätze
  2. Nidanasthanam, Buch von der Krankheitsursachen
  3. Sarirasthanam, Buch vom Körper
  4. Cikitsasthanam, Buch von der Therapie
  5. Kalpasthanam, Buch von der Zubereitung
  6. Uttaratantra, Letztes Buch

„Dieses Werk, das in seiner gegenwärtigen Gestalt wohl aus den ersten drei Jahrhunderten nach Christi stammt, ist sicherlich auch überarbeitet worden, so ist wahrscheinlich das Uttaratantra („Letztes Buch“) erst später hinzugefügt worden. Insgesamt wirkt es aber geschlossener, als die Caraka-SamhitÄ. Die Suśruta-SamhitÄ ist ebenfalls ein umfassendes Werk des Äyurveda, das etwa auch von Ernährung und Pflanzenheilkunde handelt sowie einen wichtigen Beitrag zur Äyurvedischen Theorie der Krankheitsentstehung leistet. Besonders berühmt sind jedoch die chirurgischen Abschnitte der Suśruta-SamhitÄ.

 

7 Quelle: Ananda Samir Chopra Äyurveda-Klinik, Kassel

II. C „Ashtanga Hrdayam“ und „Ashtanga Sangraha“ von Vagbhata

Vagbhata ( Autor der grossen „Dreiheit“) kündigt in seinen Werken ca. 600 n. Christi bereits eine neue Epoche des Ayurveda an. Er hat sich mit seinen Vorgängern und deren Werken befasst, stützt sich auf diese, zitiert auch, und übernimmt ganze Werke der Caraka Samhita unverändert.

Jedoch überarbeitet er die Werke systematisch, vor allem auch die mit Fragen und Antworten aufbereiteten Dialoge, die als solche auf Grund der bestehenden Fülle an Information besonders wertvoll sind.

Das Ashtanga Sangraha mit 150 Kapiteln und 6 Büchern wird als das ältere Werke überliefert. Das Ashtanga Hrdayam besteht aus 120 Kapiteln und 6 Büchern. Dieses Werke ist in elegantem und kunstvollem Sanskrit verfasst und hat über die Grenzen Indiens hinaus gewirkt. Sogar arabische Ärzte wandten dieses Wissen an. Übersetzungen sind auch ins Tibetische und Persische bekannt.

 

Zwei Werke werden Vagbhata zugeschrieben:

 

 

 

  • 1. Ashtanga Hrdayam, Zusammenfassung der achteiligen Wissenschaft
  1. Sutrasthanam, Buch der Leitsätze
  2. Sarirasthanam. Buch vom Körper
  3. Nidanastanam, Buch von den Krankheitsursachen
  4. Cikitsasthanam, Buch von der Therapie
  5. Kalpasiddhistanam, Buch von Zubereitung und Erfolg der Arznei
  6. Uttharastanam, Letztes Buch
  • 2. Ashtanga Sangraha, Sammlung der Essenz der achteiligen Wissenschaft
  1. Sutrasthanam, Buch von den Kranheitsursachen
  2. Sarirastahnam, Buch vom Körper
  3. Nidhanastahnam, Buch von den Krankeitsursachen
  4. Cikitsasthanam, Buch von der Therapie
  5. Kalpasthanam, Buch von der Zubereitung
  6. Uttharastanam, Letztes Buch

Das Verhältnis beider verwandter Werke zueinander, wie auch die Identität des Autors sind ungeklärt.

 

Allgemeine Bemerkungen zu den Werken der „grossen Dreiheit“

An dieser Stelle muss auf ein paar allgemeine Charakteristika dieser klassischen Äyurvedischen Werke hingewiesen werden. Zunächst einmal ist zu bedenken, dass diese Werke – und indische wissenschaftliche Literatur generell – nicht dazu gedacht sind, dass man „allein aus dem Buch“ lernt.

Nach traditioneller indischer Auffassung muss Wissen immer durch Lehrmeister vermittelt werden, das heißt das Buch ist nur ein Hilfsmittel beim mündlichen Unterricht. Dies ist auch im Yoga und deren Lehren zu beobachten. Insofern darf es nicht verwundern, dass alte Äyurvedische Lehrbücher ohne Erklärungen teilweise gar nicht verständlich sind. Ein anderes Merkmal indischer Wissenschaft ist, dass der mündlichen Überlieferung von alters her ein besonderes Gewicht beigemessen wird. Das bedeutet, dass viele Lehrtexte auswendig gelernt werden.

Einen Vorteil bietet diese Tradition sicherlich, dass das Überlieferte nicht „verzogen“ oder „unrichtig verstanden“ weitergegeben wird.

„In der Caraka-SamhitÄ, in der Suśruta-SamhitÄ und zum Teil auch noch im Ashtanga Sangraha entspricht die Struktur der Texte dieser Form der Wissensvermittlung. Diese Werke sind nämlich in einem Gemisch von Prosa und Versen verfasst. Dabei haben die Verse oft zusammenfassenden Charakter, das heißt nachdem ein Sachverhalt in Prosa erklärt wurde, folgen ein paar Verse, die das Erklärte kurz zusammenfassen und auswendig gelernt werden.“

Hier spiegelt sich ein allgemeines strukturelles Merkmal altindischer wissenschaftlicher Literatur, das in der Indologie mit den Begriffen Sūtra („kurzer Leitsatz“), Bhasya („Erörterung“) und Karika („Merkvers“) beschrieben wird.

Hierin dient die grammatische Wissenschaft als Vorbild: zunächst wird ein kurzer Leitsatz (Sanskrit sūtra) vorgestellt, der dann erörtert wird (Sanskrit bhÄsya) und zum Schluss wird das wichtigste in einem Merkvers (Sanskrit kÄrikÄ) zusammengefasst.

Die klassischen Werke des Äyurveda sind in Sanskrit, der altindischen Hochsprache, verfasst, wobei die Sprache der Caraka-SamhitÄ nicht immer der grammatischen Norm entspricht.

Die Ashtanga Hrdayam Samhita, wahrscheinlich das jüngste unter den klassischen Äyurvedischen Werken, ist dagegen in sehr elegantem Sanskrit vollständig in Versen verfasst, die gelegentlich sogar von dichterischer Qualität sind.

Von den vier alten Werken des Äyurveda ist dieses Werk auch dasjenige, das in seiner Struktur dem Ideal der systematischen Darstellung in maximaler Kürze am nächsten kommt.“

8 Ananda Samir Chopra Äyurveda-Klinik, Kassel

In den Werken der „großen Dreiheit“ werden bereits viele Grundsätze der Äyurvedischen Wissenschaft gelehrt, die heute noch Bestand haben.

Die Lehre der drei Doshas wird hier abgehandelt. In den beiden älteren Werken werden die Acht Fachdisziplinen (Ashtanga) abgehandelt. Dieses System wird wie voran beschrieben dann später aufgegriffen, und hat bis heute, bis hin zum Yoga Bestand. Diese Aufteilung ist bald so typisch, dass Vaghaba nur noch von der achtteiligen Wissenschaft spricht, wenn er Ayurveda meint.

Die da sind:

  1. Innere Medizin
  2. Heilkunde der Erkrankungen des Kopfbereichs
  3. Chirurgie
  4. Toxikologie
  5. Wissen von der Besessenheit
  6. Kinderheilkunde
  7. Wissenschaft der Aphrodisiaka
  8. Wissenschaft von den „verjüngenden Elixieren“

Die Werke der „grossen Dreiheit“ dienen als Orientierung des Ayurvedas. Jedoch im Zuge der Überlieferungen muss es auch vorab ayurvedische Schriften gegeben haben, von denen keine mehr vorhanden sind.

Weitere bedeutende Werke des Ayurveda:

Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass es neben den Großen Drei auch noch „die Kleinen Drei“ gibt, welche allerdings in einer viel späteren Zeit geschrieben worden sind (12. – 16. Jahrhundert n. Chr.). Dies sind: Madhava Nidan, Sharangdhara Samhita und Bhava Prakasha.

  1. Bhela Samhita – Inhaltlich Parallelen zur Caraka Samhita. Nur mehr in Fragmenten erhalten. In Form einer Überlieferung auf einer Birkenrinde aus dem 6. Jh nach Chr. in einem buddhistischen Mönchsgrab im 18. Jh. wieder entdeckt. Dieser überlieferte Text beinhaltet Rezepturen für Arzneien aus dem Ayurveda.
  1. Kasyapa Samhita – Kinderheilkunde des Ayurveda aus dem 7. Jh nach Chr.
  1. Harita Samhita – Schüler Carakas, Texte aus dem 8 Jh. nach Chr., nie gefunden
  1. Madhava Nidanam – Wissen von Krankheiten, 7. Jh nach Chr.
  1. Sharngadhara Samhita – pharmazeutische Rezepte, Pulsdiagnose, 15. Jh. n. Chr.
  1. Bhava Prakasha – Heilwirkungen, Weihrauch, Beschr. Syphillis, 16. Jh.n.Chr., 10.268 Verse

Die acht Zweige des Ayurveda

  1. Innere Medizin (kayacikitsa) – kaya bezieht sich auf agni und cikitsa bedeutet Therapie. Kaya ist verantwortlich für Biotransformation, das bedeutet, daß die Energie von Nahrung und Luft, die wir atmen, in Energie umgewandelt wird, die die Körperzellen erhält. Störung dieses Vorgangs führt zu Krankheit.

  2. Kopfkrankheiten (salakya) – beinhaltet auch Augen-, Nasen-, Ohren- und Halskrankheiten

  3. Chirurgie (salyapahartrka) – die Beseitigung von Fremdkörpern im Körper (Steinchen, Haare, Nägel, Tumor, Abszess etc.) und am Körper (Dornen, Holz- und Eisensplitter, etc.) mittels Instrumenten, Alkali und Feuer.

  4. Toxikologie (visa-gara-vairodhika-prasamana) – Therapie bei Vergiftung durch Pflanzen, Tiere etc.

  5. Dämonologie (bhuta vidya) – Diagnose und Therapie von Krankheiten, die durch „Übernahme“ oder Beeinträchtigung des Geistes eines Menschen durch feinstoffliche Wesen verursacht werden (exogene Art von unmada).

  6. Pädiatrie (kaumarabhrtya) – beinhaltet auch Zeugung, Schwangerschaft und Geburt

  7. Förderung von Langlebigkeit und Verjüngung (rasayana) – die Methode, durch die Körper, Sinne und Geist in optimalem Zustand erhalten werden können und der Körper eines alten Menschen revitalisiert und verjüngt werden kann.

  8. aphrodisiakische Therapie (vajikarana) – Therapie zur Beseitigung von Störungen des Reproduktionssystems und zur Erlangung gesunder Nachkommen.

9Quelle: Srikanta Sena