YOGALEHRER IM HINDUISMUS
YOGALEHRER IN INDIEN
oder: “ YOGI in INDIEN „
Mit insgesamt 390 Versen stellt die Yoga-Shikha („Krone des Yoga“)-Upanishad die umfassendste Yoga-Upanishad dar. Sie besteht aus sechs Kapiteln, deren letztes einmal eine selbstständige Abhandlung gewesen zu sein scheint. Dieses > Shaiva-Werk < soll, ähnlich wie die > TANTRAS <, den spirituellen Suchern dienen, die mit den Schwierigkeiten des dunklen Zeitalters (kali-yuga) zu kämpfen haben.
Ebenso wie die > Yoga-Tattva-Upanishad< unterbreitet sie eine Lehre, die Weisheitswissen mit yogischer Praxis kombiniert. Wieder und wierd erinnert sie den Leser and die Wichtigkeit der Transmutation des Körpers, der doch wahrlich zum „Tempel Shivas“ (shiva-alaya) werden soll, wie es der Vers 1.168 ausdrückt.
Vermittels des (Yoga-) Feuers soll (der yogin) den Körper stimulieren (ranjayet), der (auch) aus den sieben Bestandteilen (dhathu/wie im Ayurveda), d.h. den Humoralelementen wie Gase, Gallenflüssigkeit, Blut, usw.) besteht (1.56a)
All seine Krankheiten werden (damit) geheilt – um wie viel noch mehr die Schnitte und Wunden u. Ä. Er erwirbt eine Verkörperung, die von der Art des höchsten Licht-Raums (parama-akasha) ist. (1.57)
Der Yoga-Adept hat das Selbst verwirklicht, hat das „Selbst realisiert“; dazu kommt, dass seine verwandelte Physis verschiedene Arten paranormaler Kräfte (siddhi) besitzt, die als sicheres Zeichen seiner spirituellen Fertig-keiten gelten. „Man sollte denjenigen, dem die Kräfte mangeln, als gefesselt betrachten“. erklärt der anonyme Autor (1.160). Dies soll allerdings die allgemeine Einstellung relativieren, dass der egoistische Gebrauch dieser Kräfte das spirituelle Wohlergehen des yogins gefährde. Der Autor, offensichtlich selbst ein Adept, lehnt blosses Bücherwissen ab und lösst sich sehr kritisch über Menschen aus, die von dem geringen, aus Textbüchern (shastra) erworbenen Wissen getäuscht und irregeführt werden.
Die Yoga-Shikha-Upanishad favorisiert gleichfalls eine Methode, die Weisheit (jnana) mit Yoga kombiniert. Getrennt voneinander können weder Weisheit noch Yoga zur Befreiung führen. Zusammen aber können sie den Menschen „reifen lassen“. Der Text (1.24-27) differenziert zwischen „ganz gegarten“ (pari-pakva) und „ungegarten“ (apavka) Personen. Nur die Ersteren besitzen einen Körper, der „nicht empfindungslos“ (ajada) ist. Mit anderen Worten: Ihr Körper wird von einem disziplinierten Bewusstsein durchdrungen und stellt deshalb sein komplettes Potential zur Verfügung, einschliesslich den paranormalen Fähigkeiten. Die „ganz gegarten“ Menschen sind frei von „Leiden“ (dukha). Ja, wie die Verse 1.41-42 erklären, kann der Körper eines yogin selbst von Gottheiten nicht gesehen werden, denn er ist transparenter als der Raum.
Das zweite Kapitel handelt vom Mantra-Yoga und erklärt, dass der subtile innere Ton (nada) das Höchste sei. Im dritten Kapitel werden einige der metaphysischen Aspekte des Mantra-Yoga vorgestellt. Der Klang, heisst es, habe mehrere subtile Dimensionen, beginnend mit der klangtranszendierenden höchsten Realität und derenetwas tiefereer Manifestation in Form von shabdha („Klang“)-brahman. Die darauffolgenden Stufen der sukzessiven Klang-Manifestation sind:
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para(„transzendent“), der „Saatkeim“ – Ton, oder bindu;
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pashyanti („sichtbar“) – Ton in unhörbarer Frequenz, aber durch yogische Innenschau (dharana) wahrnehmbar;
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mahadhyama(„Mittelsorte“), der während tiefer Meditation im Herzen gehört werden kann: ein Ton, der „wie ein Donnerschlag“ dröhnt;
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vaikhari („rau“) – vokalisierter Ton (svara), der druch Vibrieren der Luft entsteht.
„Der yogiraj soll seine Fähigkeiten nicht für jedermann zur Schau stellen. Er verberge vielmehr seine Fähigkeiten vor der Welt und lebe wie ein Narr, wie ein Idiot oder ein tauber Mensch.“ – YOGA-TATTVA-UPANISHAD 76B-77
Das vierte Kapitel der Yoga-Shikha-Upanishad stellt die vedantische Lehre der Unwirklichkeit von Welt und Körper dar, die, getrennt von dem einen allumfassenden Selbst (atman), null und nichtig sind. Im fünften Kapitel lernen wir über einige Hauptaspekte der esoterischen Anatomie, wie die Energiekanäle (nadi) und die psychospirituellen Energiezentren (cakra) im Körper, die auch im Ayurveda nicht unteressant sind. Die abschliessenden Kapitel decken zum Teil ähnliche Themen ab, konzentrieren sich dabei aber auf den zentralen Kanal, die sushumna-nadi, der als der „allererste Wallfahrtsort“ bezeichnet wird (6.45). Der yogin müsse die erweckte Schlangen-Kraft in diesen axialen Kanal und dann zum Aufstieg in den Kopf drängen.
Der > Hinduismus < unterscheidet zwischen verschiedenen Typen von Lehren, die ideaerweise dem > brahmanen-Stand < angehören:
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Dem Guru („der Gewichtige“),
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Dem Acharya („der Lehrer“), der das Ritual der Investitur oder upanayana mit der heiligen, von allen „Zweimal-Geborenen“ getragenen Brahmanenschnur durchfürht und dem Schüler auch die angemessenen Betragens- und Verhaltensregeln vermittelt); dann dem
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upadhyaya ( der „Privatlehrer“), der einen Teil des Wissens gegen Bezahlung lehrt); dem
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adhvanka (der „Mentor“; von adhvan ageleitet, was „Straße“ oder „Reise“ bedeutet); weiter dem
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pradhyapaka (eine „ältere Lehrkraft“, die unter Umständen andere Lehrer insturiert) und dem
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pracarya („älterer Präzeptor“; schliesslich dem
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raja-Guru („königlicher Lehrer“) und dem
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loka-Guru („Welt-Lehrer“). All diese Personen verkörpern eine jeweis spezielle Lehrerrolle und besitzen dementsprechenden Status. Es gibt sogar einen Gattungsbegriff für die diversen Arten von Lehrern, nämlich pravaktri oder „Kommunikator“.
Der gottrealisierte Lehrer garantiert „göttliches Wissen“ (divya-jnana), wies des die Yoga-Shikha-Upanishad (5.53) darlegt. Das ist Wissen, das aus der Erleuchtung entspringt und zur Erleuchtung fürht. Die > Advaya-Taraka-Upanishad < (16) gibt eine esoterische Erklärung für das Wort Guru und leitet es vn den Silgen gu (bezeichnet „Dunkelheit“) und ru (bezeichnet „Vertreiber“) ab. Demnach ist der Guru ein Wesen, das die Verkunkelung des Schülers auflöst.
Den gottrealisierten Meistern unter den Lehren wird in der Hindu-Gesellschaft auch heutzutage ein besonderer Platz eingeräumt, da sie allein in der Lage sind, den spirituellen sucher in das höchste „Wissen vom Absoluten“ (brahma-vidya) einzuweihen. Sie allein gelten als sad-Gurus, als „Lehrer des Wirklichen“ oder „wahrer Lehrer“. Hier gibt es das Sanskritwort „sat“ („aus lautlichen Gründen zu sad verändert“) sowohl die Bedeutung „wirklich“ wie auch „wahr“ an. Diese Lehrer werden als machtvolle Gnaden-Vermittler verehrt. Wie die > Shiva-Samhita < (3.14) feststellt: „Durch die Gande des Lehrers erlangt man alles Gute für sich“ Und die > Hatha-Yoga-Pradipika < (4.9) betont, dass es ohne das Mitgefühl (karuna) eines wahren Lehrers schwer ist, den Zustand transzendentaler Spontanität (sahaja) zu erreichen.
Wegen seiner/ihrer spirituellen Verwirklichung wird der Guru als Verkörperung (vigraha) des Göttlichen angesehen. „Allein der Guru ist Gott Hari (=Vishnu) inkarniert“, verkündet die Brahma-Vidya-Upanishad (31).
Der Lehre ist nicht eine spezifische Gottheit, sondern das allumfassende Göttliche, hier Hari genannt. Die „Vergöttlichung“ des gottrealisierten Meisters darf nicht missverstanden werden; Er oder sie repräsentiert Gott nicht in irgendeinem exklusiven Sinn; vielmehr ist er/sie genauso essenziell wie die transzendente Realität. Das will sagen: Ein solcher Meister/Meisterin hat die geöhnliche irrige Identifizeriung mit dem subjektiven Körper und Verstand aufgehoben und existiert nun als die pure transzendente Identität aller Wesen und Dinge. Im wahrlich erleuchteten Wesen findet sich keine Spur von Ichheit; das Ich wurde vom Selbst ersetzt. Zwar funktionieren Persönlichkeit und Körper samt Verstand für die ihnen zugemessene Zeit weiter, doch ist das erleuchtete Wesen nicht an deren automatischen Prozessen beteiligt. Im Gegensatz dazu glaubt das unerleuchtete Individuum, ein besonderes „Wesen“, ei individualisiertes Bewusstsein zu sein, das irgenwie in einem angestammten Körper wohnt und mit einer spezifischen Persönlichkeitssturktur verbunden ist, ja womöglich davon motiviert wird. Dieser fatale Illusion wird im Augenblick der Erleuchtung gnädig zertrümmert.
Im Kula-Arnarva-Tantra wendet sich Gott Shiva an seine göttliche Gemahlin Devi und sagt über verwirklichte Meister – den Gegensatz zu gewöhnlichen Lehrern hervorhebend-Folgendes:
Viele Gurus gibt es, so viele, wie es Lichter in all den Häusern gibt, doch schwer ist der Guru zu finden, o Devi, der alles beleuchtet wie die Sonne. (13.104)
Die Schriften legen Gewicht auf die Hngabe zum und die Liebe für den lehrenden Meister. So wird in der Mandala-Brahmana-Upanishad (1.1.4), vielleicht im 14.Jh. n. Chr. verfasst, Guru-bhakti oder „Ergebung zum Lehrer“ als einer der Bestandteil des neunteiligen moralischen Kodex (niyma) für yogins angeführt. Und die etwa gleich alte Yoga-Shikha-Upanishad (5.53) deklariert:
Es gibt in den drei Welten niemand Grösseren als den Guru. Er ist´s, der göttliches Wissen (divya-Jnana) weitergibt, und er soll (deshalb) mit höchster Ergebung verehrt werden. Ähnlich betrachtet die > Tejo-Bindu-Upanishad < (6.109) die Hingabe zum Lehrer als unverzichtbar für den ernsthaften Aspiranten. Und der > Brahma-Vidya-Upanishad < (30) zufolge soll diese Hingabe immer demonstiert werden, da der Lehrer nichst anderes ist als das Göttliche selbst. Die Gleichsetzung von Guru-Verehrung der der Verehrung de Göttlichen wird in der Shiva-Purana (1.18.95) wie auch in zahllosen anderen Sanskrittexten betont – zu viele, als dass sie hier aufgelistet werden könnten…..
Schliesslich offeriert die Yoga-Shikha-Upanishad (1.136-138), vielleicht im 14. oder 15. Jahrhundert nach Christus verfasst, eine ganz und gar esoterische, tantrische Interpretation:
„In der Mitte des Perineums (yoni), dem besonderen Ort, weilt wohlverborgen rajas, das Prinzip der Göttin, den (roten) japa- und bandhuka (-Blumen) gleichend. Raja Yoga wird so genannt wegen der Vereinigung (yoga) von rajas und Samen (retas). Nachdem er die (verschiedenen paranormalen Kräfte), wie die Fähigkeit, sich zu verkleinern, durch Raja-Yoga erlangte, wird er (der yogin) strahlend (rajate).
Das rote im obigen Zitat angesprochene rajas-Prinzip wird manchmal mit Menstruationsblut, manchmal mit weiblicher Hormonabsonerung und ein andermal mit der weiblichen Eizelle gleichgesetzt. Letztere Asulegung erscheint symbolisch am sinnvollsten, da die Verbindung von Samen und Eizelle zu einem neuen Sein führt – in diesem Fall, metaphorisch gesprochen, zum Zustand der Erleuchtung. Doch spielt die hormonelle Sekretion in diesem Yoga auch eine Rolle, genauso wie im TAOISMUS. Metaphysisch gesprochen, sind rajas und tetas das weiblich und das männliche Energieprinzip. Die vollkommene Hamonisierung (samarasa) beider Prinzipien soll zum Sprung in die eigenschaftslose Ekstase führen – eine esoterische Erklärung allerdings, die mehr zum tantrischen Symbolismus als zu Patanjalis philosophischer Schule gehört.
Raja-Yoga oder klassischer Yoga wird im Kapitel 9 und 10 ausführlich behandelt. Seit seiner Entstehung in den ersten Jahrhunderten der neueren Zeit (einige Gelehrte nehmen jedoch an, das Patanjali in vorchristlicher Zeit lebte) war Raja-Yoga eine innerhalb der Yoga-Tradition. Wie > Swami Vivekananda < enthusiastisch deklarierte. „ist > Raja-Yoga < die Wissenschaft der Religion, die logische Basis von Verehrung, Gebeten, Zeremonien und Wundern.“
Er fügte hinzu, das Ziel des Raja-Yoga sei es, zu lehren, „wie der Verstand zu konzentrieren, wie die innersten Winkel unseres Verstands zu entdecken, wie deren Inhalte dann zu verallgemeinern und eigene Schlussfolgerungen daraus zu ziehen sind.“Letztlich strebt diese meditative Selbsterforschung danach, die transzendente Wirklichkeit jenseits von Gedanke und Vorstellung, von Verehrung und Gebet, von Ritual und Magie zu entdecken.
Quelle: > The Yoga Tradition: Its History, Literature, Philosophy and Practice, by Georg Feuerstein <
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