Yoga Tantra

Meditation

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> Vijnana Bhairava <

> ZENTRUM INTERKULTURELL <

Der Zweck von Yoga ist, auf Meditation vorzubereiten. Yoga hat keinen anderen Zweck als den meditativen Zustand möglich zu machen.

Durch diese Methoden entstehen die ‚Nebenwirkungen‘ des Yoga, die Klarheit geben, die Energie erhöhen, Krankheiten und Depression beseitigen oder was sonst im Wege stehen kann, um im meditativen Zustand verbleiben und ihn erleben zu können. Wenn der Körper an Krankheit oder Schmerzen leidet oder wenn Angst oder Sorge den Geist in solch einem Grad beschäftigen, daß sie das einzige sind, womit man sich identifizieren kann, ja, dann muß man Wege finden, um darüber hinwegzukommen.

„Wenn eine Sinnesstimmung gegen oder für jemanden entsteht, hefte sie nicht an die Person, um die es geht, sondern verbleibe ruhend in Dir selbst.“

Vigyana Bhairava Tantra

 

Hindernisse, um das Ziel des Yoga erreichen zu können, hat der Rishi Patanjali vor ca. 2300 Jahren in seinem Buch Yoga Sutra beschrieben als: Krankheit, Trägheit, Zweifel, Gleichgültigkeit, Faulheit, Gier, Mißauffassung, fehlende Fähigkeit die feineren Zustände zu erreichen, Mangel an Stabilität…

Mit Patanjali entstand ein Yogazweig, der die Auffassung von und die Erwartungen an Yoga prägen sollte. In gelehrten Kreisen bevorzugte man nämlich diesen eher theoretischen Yoga von Patanjali mit seinen Idealen von Kontrolle des Geistes. Deshalb ist die Beschreibung von Yoga in Lexika und anderen Stellen meistens an den Zweig geknüpft, der nach ihm entstand, genannt Raja Yoga.

Er ist in seinen vier kleinen Büchern, das jedes zwischen 30 und 40 kurze Verse enthält, sowohl inspirierend wie genial, und jede Yogaschule, die etwas auf sich hält, hat dieses Buch natürlich mit in ihrer Ausbildung – zusammen mit den anderen Texten der Tradition. Aber er hat dem intellektuellen und gutgebildeten Bürger im Osten und Westen eine Entschuldigung dafür gegeben zu denken, zu philosophieren und zu moralisieren anstatt die Wirkungen der eigentlichen Yoga- und Meditationstechniken zu erkennen und zu erleben. Es bleibt bei Vorstellungen, und die konkreten Wirkungen der praktischen Übungen bleiben aus.

Gleichermaßen wie in Europa der Puritanismus, so ließ auch in Indien Patanjalis strikte Auslegung in den Augen der Gelehrten allen anderen Yoga überschatten. Es entstanden Ideale, so groß, daß sie Yoga vom Menschen entfernten.

Natürlich beinhaltet Tantra und die tantrischen Meditationen Elemente, die im Raja Yoga beschrieben sind, aus dem einfachen Grund, weil Raja Yoga ein kleiner Zweig am Baum ist, der aus Tantra erwachsen ist.

Yoga ist ja nicht nur für die Menschen zugänglich, die das Leben und sich selbst kontrollieren wollen. Die Tantratradition enthält vieles mehr, das einem hilft sich der Veränderlichkeit des Lebens hinzugeben, und gleichzeitig eins mit sich selbst zu sein – zu lernen, ganz und gar zu leben.

Im Tantra ging man, ungestört von Modeströmungen und Begrenzungen der Zeit, weiter den ursprünglichen Weg in der Weise, wie man sich zum Leben und zur Entdeckung und Wiedereroberung seiner selbst verhält. Hier wird Wert gelegt auf praktischeund konkrete Übungen, Rituale und Meditationen. Es ist etwas, das man tut, und Theorie alleine wird als eine Art Nebenprodukt betrachtet, das entsteht in der Kommunikation mit denjenigen, die die feineren Zustände noch nicht kennen. Es ist der persönliche und direkte Kontakt zwischen Menschen,auf den es ankommt, wenn dieses Wissen weitergegeben werden soll.

Grundlegend in Tantra ist, daß man eher das Erleben als Methode benutzt, als es mit Kontrolle und Beherrschen zu versuchen, darauf bauen seine Übungen, Rituale und Meditationen auf. Hier ist keine Rede von strengen Verhaltensregeln, sondern davon, bewußt und mitlebend zu sein in dem, was man sowieso tut, denkt und fühlt. Hingegeben und neutral läßt man das Erlebnis zu, ohne sich in einer Reaktion oder einem Kampf dagegen mitreißen zu lassen – und ohne sich von Einwirkungen überwältigen zu lassen oder sich aufgebend zu unterwerfen oder sich von etwas abhängig zu machen.

„Oh Geliebte, richte Deine Aufmerksamkeit
weder auf Vergnügen noch auf Schmerz,
sondern zwischen diese.“

Vigyana Bhairava Tantra

 

Man kann sagen, daß man in der Meditation den natürlichen Zustand und die natürliche Frequenz der Zellen wiederherstellt, man neutralisiert die Hemmungen und Einflüsse, die normalerweise den Geist fangen und einen dazu bringen, sich selbst zu vergessen und seine Identität abzulegen in etwas anderes als das, was man eigentlich ist. Ein deutliches Beispiel hierfür ist Streß. Aber auch andere physische und psychische Beschwerden und Krankheiten kann man loswerden, indem man zu dem ursprünglichen Zustand zurückkehrt – so wie er war, bevor er den Einflüssen ausgesetzt wurde, die das Gleichgewicht in Körper und Geist verschoben.

Indem man die Techniken und Meditationen des tantrischen Yoga gebraucht, und dadurch einsieht, daß das, wovon der Geist gefangen oder fasziniert wird, nur Erlebnisse sind, werden genau die Hindernisse beseitigt, die Patanjali beschreibt.

Es kann sich zum Beispiel um starke Gefühle wie Zorn oder Kummer handeln. Mitten im Zustand, mitten im Gefühl bleibt man dabei, zu erleben, und deshalb kann man dem, was man erlebt, erlauben zu geschehen. Man greift nicht ein, um den Gedanken oder das Gefühl zu stoppen, sondern erlaubt ihm, sich auszudrücken oder sich auszutoben. Man versucht nicht, das Gefühl oder den Zustand zu vermeiden, und man klammert sich nicht daran. Deshalb bleibt danach nichts in Form von Spannungen oder Groll hängen, und man kann weiter
im Jetzt leben.

Tantra – im Hinduismus, Buddhismus und an sich

In den alten Schriften aus der tantrischen Tradition der Bergregionen Indiens, von manchen wird gesagt, sie seien mehr als 4000 Jahre alt, findet man die ersten einfachen Anweisungen, intensive kurze Sätze oder Verse (Sutra), die ein wenig von tantrischem Yoga und Meditation enthüllen. Dies ist Teil eines Wissens, das sonst geheim in mündlicher Form von Lehrer zu Schüler weitergegeben wird – von Generation zu Generation, über Tausende von Jahren.

Es gibt verschiedene uralte Schriften, die früh dieses Wissen vom Geist andeuten, das in den Meditationen Ausdruck findet: Vigyana Bhairava Tantra, Sochanda Tantra und Malini Vijaya Tantra, auch zitiert unter dem Namen Vigyana Bhairava Tantra.

Aus der tantrischen Tradition erwuchs u.a. Yoga Nidra (Tiefenentspannung). Gleichermaßen nahm nach und nach eine Meditation Form an, die in ihrer Grundform aus sieben Teilen besteht, nämlich Antar Mauna (Innere Stille). Folgendes Zitat ist aus dem Kularnava Tantra (eine etwas spätere Schrift als die obengenannten) über die Wichtigkeit der direkten Anweisung:

„Weder die vier Lebensstufen (Ashramas) noch Philosophie oder Wissenschaft können ein Mittel zur Befreiung sein; nur die Einsicht, für die alle Sastras [die tantrischen Schriften] stehen, kann dies möglich machen.

Bereits vor der Entstehung des Buddhismus gibt es Spuren von dieser Meditation in der Tantra Tradition. Ja, sogar bevor Alexander der Große das Wort Hinduismus als einen Sammelbegriff für die Lebensweise derjenigen, die am Indusfluß lebten, zu gebrauchen begann.

Bevor Teile der Tantratradition zunächst in den Hinduismus und später in den Buddhismus integriert wurden, war sie eine unabhängige Tradition und Wissenschaft. Die tantrischen Schriften wurden nach außen hin die nicht-vedischen Schriften, die agamas genannt, gerade um diese Selbständigkeit gegenüber den vedischen Schriften, auf denen der Hinduismus zu großem Teil beruht, zum Ausdruck zu bringen.

Hier einige Beispiele aus den uralten Anweisungen:

„Das Schätzen von Dingen und Gedanken
ist für eine erleuchtete Person
und eine unerleuchtete Person dasselbe.
Der erstere hat eine Stärke:
er verbleibt in dem subjektiven Zustand
und verliert sich nicht an die Dinge.“
(Vigyana Bhairava Tantra)

„Im Zustand extremen Verlangens sei ungestört“
(Vigyana Bhairava Tantra)

Als der Buddhismus nach Japan kam, legte das tantrische Element, das er in sich hatte, die Grundlage für die Za-Zen Meditation. In ihrer Haltung und all ihrer Einfachheit ist sie verwandt mit Antar Mauna. Es gibt auch viele Gemeinsamkeiten mit der etwas formellen buddhistischen Meditation Vipasana. Sie wird wohl insbesondere in Südostasien angewandt. Ihr Name kann bedeuten das, was die Bindungen löst.

In Tibet wurde aus den tantrischen Quellen eine ähnliche Methode mit der Meditation Maha Mudra entwickelt. Als sie in den 30er Jahren von Evans-Wentz präsentiert wurde, nannte er sie „den Yoga der großen Befreiung“, oder „den Yoga des großen Symbols.“ Daß Wentz und die Lamas, mit denen er zusammenarbeitete, die letztgenannte etwas abstrakte Übersetzung des Titels wählten, erfordert, daß wir die Bedeutung des Wortes Symbol überdenken müssen, was ich hier jedoch unterlassen will. Wentz selbst räumt in seinem Kommentar zum Titel ein, daß Mudra Haltung oder Einstellung bedeute.

Maha Mudra kann ich auch mit meinem eigenen Hintergrund übersetzen als: die große Haltung, im Sinne von die allerbeste Haltung, die beste Haltung, die man zum Leben haben kann.

Es besteht jedoch die Gefahr bei der tibetanischen Variante, wie inspirierend sie auch sein mag, daß sie einen ziemlich großen philosophischen Überbau hat. Das kann einen leicht zum Verstehen der Begriffe verleiten, von denen man sich eigentlich frei machen sollte; man philosophiert und wird abhängig von den eigenen Vorstellungen und blockiert sich auf diese Weise für das Erlebnis und die Einsicht in der Meditation. Das liegt sicherlich ausschließlich daran, daß der direktere Unterricht von Lehrer zu Schüler, wie immer im Tantra, nicht schriftlich beschrieben werden darf oder kann. Dieses Wissen muß in der Unterrichtssituation empfangen werden. Aber wenn Maha Mudra richtig angewandt wird, kann sie, wie Antar Mauna, sowohl die grundlegendste, wie die höchste Form von Einweihung enthalten.

Oder wie in den uralten Schriften aus Kaschmir gesagt wird:

„Da in Wahrheit Bindung und Befreiung relativ sind,
gelten diese Worte nur für jene, die sich vor dem Universum fürchten.
Dieses Universum ist eine Spiegelung des Geistes:
genauso, wie Du in der Wasseroberfläche viele Sonnen der einen Sonne siehst,
siehe auch Bindung und Befreiung.“

Vigyana Bhairava Tantra

Wie Yoga und damit Meditation definiert wird

Es gibt eine Definition von Yoga, die  beinhaltet, daß es etwas ist, was der einzelne Mensch tun kann, mit ein wenig Hilfe von der Tradition und einem guten Lehrer, aber ohne auf spiritueller oder anderer Ebene konkurrieren zu müssen.

„Die Reinheit in den Lehren anderer ist für uns wie Unreinheit.
In Wirklichkeit betrachte nichts als rein oder unrein.“

Vigyana Bhairava Tantra

Es handelt ja von dem, was wir von vorne herein sind, im innersten, oder überall: Die Stille ist unser Bewußtsein, derjenige, der hinter allem erlebt. Man ist Stille, und alles andere, Geräusche, Sinneseindrücke, was man spürt, Gerüche, die Natur, die Stadt, alle materiellen und alle inneren Dinge, Gefühle, Gedanken, innere Bilder, Träume, sie sind alles Erlebnisse, die sich verändern und vergessen werden.

„Dieses Bewußtsein existiert wie jegliches Wesen,
und sonst existiert nichts.“

Vigyana Bhairavi Tantra

Und in den Worten Swami Satyanandas:

„Meditation ist daher ein Prozeß, durch welchen Du Dein eigenes Bewußtsein siehst – Bewußtsein sieht sich selbst durch sich selbst, ohne mit irgendwelchen Mitteln, Unterstützungen oder Handlungen einzugreifen. In der Meditation durchläufst Du keinen Prozeß von Selbstanalyse sondern von Selbstwahrnehmung. Hierin reicht Meditation weiter als die Psychoanalyse der modernen Psychologie. Du analysierst Dich nicht selbst; Du siehst Dich selbst.“

Die Erlebnisse und das Bewußtsein

Die Definition von Yoga kann durch ein Symbol ausgedrückt werden.

Es ist ein archetypisches Symbol, das bestimmte Bewegungen, Religionen und Länder zwar für sich, als deren Symbol, gewählt haben (z.B. Israel), aber es ist nicht durch eine Bewegung oder Nation begrenzt. Zwei Dreiecke, ein nach oben zeigendes und ein nach unten zeigendes, formen dieses Symbol, den sechseckigen Stern.

Man findet ihn in allen Kulturen. In der Kleidung der Prärieindianer, oftmals mitten auf der Brust angebracht.

In Tantra findet man ihn in verschiedenen Symbolen oder Yantra – u.a. im Yantra von Anahata Chakra, dem psychischen Zentrum, das sich in der Höhe des Herzens befindet. Dieses Symbol, drückt Harmonie zwischen dem Erlebenden und dem Erlebten aus. Und wenn diese Harmonie entsteht, entsteht Vereinigung zwischen diesen beiden – Einheit in allem.

 

Energie und Bewußtsein

Man kann auch von Stille, von demjenigen, der erlebt, und den Erlebnissen auf andere Weise sprechen. Alles besteht aus Energie, die Atome in den Wänden und mein Körper sind Energie, was aus meinem Mund kommt, wenn ich spreche, ist Energie, Gedanken sind Energie, Gefühle, alles. Es ist etwas, das ich erlebe, Energie.

Die beiden Dreiecke bilden eine harmonische Form von Gleichgewicht. Das Dreieck, das nach unten zeigt, steht für die Energie. Das Dreieck, das nach oben zeigt, steht für das Bewußtsein. Wenn die Dreiecke, in diesem Zusammenhang, auf irgendeine andere Weise zusammengestellt werden, so ist das Gleichgewicht nicht vorhanden, so ist die Rede von zu viel oder zu wenig, von Gefühllosigkeit, Unwissenheit, Selbstvergessen, von Mangel an Kontakt mit dem Wesentlichen, von einer falschen Identität…

Natürlich erlebt man, wenn die Harmonie nicht da ist, daß man versucht, die Gedanken und Gefühle zu unterdrücken und zu kontrollieren, daß man sich nicht mit ihnen identifiziert oder überwältigt wird, so daß man sich eigentlich selbst vergisst. Aber hier ist nicht von Kontrolle oder Nicht-Kontrolle die Rede. Es geht nicht darum, sich aufzulehnen oder sich unterwerfen zu lassen, sondern darum, gegenwärtig zu sein, mitten in dem, was geschieht, innerlich wie äußerlich. Das ist eine tantrische Definition von Yoga.

„Wenn Du völlig gegenwärtig bist durch einen Deiner Sinne, verbleibe in diesem Gegenwärtigsein.“

Vigyana Bhairavi Tantra

Dies wird durch die Meditation Innere Stille trainiert, denn dies ist in Wirklichkeit nicht etwas, das man denkt, oder worüber man philosophiert, es ist etwas, das man tut, und das lernt man mit Hilfe der Technik. Innere Stille ist eine notwendige Voraussetzung für all anderen weitergehenden Yoga und Meditation, u.a. die fortgeschritteneren Formen von Kriya Yoga.

Das Wissen oder die Einsicht, die aus der Meditation wachsen, prägen auch den Alltag. Sie repräsentieren den Kern von Tantra, die tantrische Haltung. Du akzeptierst wie Du bist, wie Du lebst. Du brauchst nicht jemand anders zu sein, um Dich selbst verwirklichen zu können – um zu leben. Du brauchst Dich nicht zu ändern, Du bist bereits – Du selbst.

„Du bist der eine Beobachter, und als solcher warst Du in der Tat immer frei. Deine einzige Bindung war, daß Du jemanden anderes für den Beobachter hieltest.“ Ashtavakra Gita

 

om tat sat

 

Zusammenfassung

Antar Mauna ist eine Meditation, die in der Ganzheit beginnt, in der Du Dich befindest, in der Welt, die Du durch Deine Sinne erlebst, an der Stelle und in der Umgebung, wo Du im Augenblick meditierst. Du trainierst Dein Vermögen zu erleben. Von den Sinnen bewegst Du Dich schrittweise und unausweichlich durch die Zustände, Gewohnheiten, Gedanken und Gefühle, die Deine Persönlichkeit normalerweise beinhaltet. Du lernst die Persönlichkeit zu erleben, ohne sofort kritisch oder analysierend zu sein, ohne sie hemmen oder verändern zu müssen. Du lernst sie kennen. Dann gehst Du tiefer, durch verschiedene Dimensionen in Deinem inneren Universum, hin zum innersten in Deinem Wesen, von wo aus Du alles erlebst.