Ursprung & Repertoire des Bharata Natyam
Bharata Natyam in seiner klassischen Form hat seinen Ursprung in jenen Manuskripten, die man Natya Shastra nennt, und die vom weisen Bharata um 4000 v.Chr. niedergeschrieben wurden. Ursprünglich war es dazu gedacht, um die Hingabe und Frömmigkeit auszudrücken. Als die Welt jedoch in einem Chaos von endlosen Kriegen versank, entnahm Brahma aus den vier Veden deren Essenz und erschuf eine fünfte Veda, die man nunmehr NATYA VEDA nennt. Diese Veda ist eine Ausdrucksform, oft auch Yoga genannt, ein Tanz, durch welchen der Mensch wieder in Einklang mit seinem Schöpfer und dem Universum kommt.
Ursprünglich Sadir genannt, durfte Bharata Natyam nur zu besonderen Anlässen und an Festen im Tempel von den Devadasis getanzt werden. Diese Devadasis waren gut ausgebildete Künstler, die singen, tanzen, und viele Instrumente spielen konnten. Sie beherrschten Sanskrit und kannten daraus viele Verse. Auch andere Sprachen lernten sie, welche ihnen dabei halfen, Kompositionen besser zu interpretieren. Jene hohe Kunst ging mit dem sozialen Niedergang der Devadasis zu Ende, durch den Einfluß der westlichen Kultur, welche viele indische Elemente bis zum heutigen Tag nicht versteht.
Die Grundlagen des Tanzes im NATYASASTRA
Das NATYASASTRA ist das umfangreichste Kompendium zur darstellenden Kunst auf der Welt. Bis auf die Natyasutras ist es die älteste Literatur über den Tanz Indiens. Der Weise BHARATA wird als Autor des NATYASASTRA zitiert. Wahrscheinlicher jedoch ist es, daß verschiedene Autoren unter dem Pseudonym `Bharata´ über einen Zeitraum von mehreren Jahrhunderten zwischen 500 v. Chr. – 500 n. Chr. das NATYASASTRA verfaßten.
Die Inder legitimieren den Ursprung es NATYASASTRA spirituell. Der Gott Brahma soll es aufgrund der Anfrage aller Götter als fünften Veda geschaffen haben.
Im alten Indien war Tanz Teil einer Dramavorstellung. Der Begriff NATYA (Drama) umfaßt reinen Tanz (Nritta), expressiven Ausdruckstanz (Abhinaya) und Musik (Sangita).
Im 12. Jahrhundert führte Sarngadeva den Begriff NRITYA ein für den reinen Tanz in Verbindung mit Ausdruck. Auf Sanskrit bedeutet die Wortwurzel `nrit´ tanzen und alle Worte, die Tanz und Drama im Indischen angehen, hängen mit dieser Wurzel zusammen.
In der Tanzbezeichnung BHARATANATYAM wurde Bharatas Name verwandt sowie die Bezeichnung NATYA. So bedeutet BHARATANATYAM nichts anderes, als daß der Tanz eine Form von Natya ist, die den Regeln des NATYASASTRA folgt.
Zum Repertoire des BHARATANATYAM
Durch Tanz wird das ganzheitliche Weltverständnis Indiens emotional erfahren und die Vielfalt des künstlerischen Ausdrucks dieser Kultur vermittelt.
Im Tanz geht es vor allem um die hinduistischen Göttermythen. Mythen sind Ausdruck weltlicher Gesetze, metaphysischer Prinzipien und symbolischer Wahrheiten. Die Götter sind archetypische Symbole, in denen sich der Mensch in seinem Handeln erkennen kann. Der Tanz ist bildhafter Ausdruck einer abstrakten Philosophie des Entstehens und Vergehens.
Die noch heute gültige Programmfolge wurde zwischen 1798 und 1832 von 4 Musikern, dem sogenannten Tanjore Quartett, entwickelt:
1. PUSHPANJALI – heißt Blütenopfer. Die Tänzerin opfert der Gottheit Blüten und bittet um den Segen für die Tanzaufführung.
2. ALARIPPU – enthält rein tänzerische Elemente (Nritta). Zu rhythmischen Lautsilben bewegt die Tänzerin besonders Arme, Beine und den Hals in sich steigerndem Tempo.
3. KAUTHUWAM – in diesem Stück wird neben den reinen Tanzelementen die jeweilige Gottheit durch Mimik (Abhinaya) und Handgestik vorgestellt.
4.JATHISWARAM – besteht aus einer gesungenen Melodie (Swara) und rhythmischem Tanz mit komplexer Fußarbeit.
5. SABDAM – ist ein Loblied auf einen Gott und wird durch Mimik (Abhinaya) dargestellt. Auf jeden Vers des Liedes folgen schnelle Tanzpassagen (Nritta).
6. VARNAM – ist das anspruchsvollste und längste Stück einer Bharatanatyam Aufführung (30 – 40 Minuten). Es handelt von der göttlichen Liebe, die mit all ihren Freuden und Sehnsüchten mit der menschlichen Liebe verglichen wird. Auf erzählerisch-expressive Phasen zu lyrischem Gesang folgen stets rhythmische Tanzsequenzen.
7. PADAM -im Padam (Lied) wird der Text durch Abhinaya (Mimik und Handgestik) dargestellt.
8. TILLANA – besteht aus einer lebhaften Folge von schnellsten Tanzabfolgen und ist der letzte Tanz einer Bharatanatyam Aufführung.
9. SLOKA – die kurze mimische Darstellung eines Verses (Sloka) aus der klassischen Spruchdichtung kann am Anfang, in der Mitte oder am Ende einer Aufführung dargebracht werden.
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