monistische klassische Literatur, 500 n.Chr.
siva und seine Gemahlin parvati, auf einer Lotosblume sitzend, Bronze aus Bengalen, 12. Jh. (Museum of Fine Arts, Boston)
Die Priester sehen im Feuer den Gott,
Die Toren in Tongestalten,
Die Denker wissen im Herzen ihn,
Die Seher im All enthalten.
Verachtung bleibt auch einem Mächt´gen nicht erspart,
solang er seine Stärke nicht hat offenbart.
Leicht springt man über Feuer, das im Holz noch ruht;
doch wenn es flammt, wer ist´s wohl, der es dann noch tut?
Der Sturm entwurzelt zarte Halme nicht,
die tief nach allen Seiten hin sich neigen;
die hohen Bäume nur er niederbricht:
An Großen nur die Stärke Große zeigen.
Des Wagebalkens Art und des Gemeinen,
wie sie einander doch so gleich erscheinen!
Ein Weniges bewirkt schon, daß sie steigen,
ein Weniges, daß sie sich abwärts neigen.
Man meide gleich von Anfang an mit allen
vertrauten Umgang, die uns nicht gefallen.
Erst wird der Geist bei Klugen alt, der Körper hinterher;
bei Dummen altert dieser erst, doch jener nimmermehr.
Wenn viele Schwache sich vereinen,
so sind sie schwer zu überwinden,
aus Gräsern wird der Strick geflochten,
um Elefanten selbst zu binden.
Die Welt trägt nach der Wahrheit kein Verlangen;
sie tritt in dessen Spur, der schon vorangegangen.
Wer Bücher nur studiert, bleibt doch ein Tor;
wer danach handelt, der ist klug zu nennen!
Einnehmen muss der Kranke die Arznei –
Was hilft´s ihm, ihren Namen nur zu kennen?
Dem helfen, der dir nicht geholfen hat,
wohltun, empfangne Wohltat nicht vergessen,
aufrichten, wen das Schicksal niedertrat –
daran wird die wahre Vornehmheit ermessen!
Wer klug ist, leiste auf Gewalt Verzicht,
wenn sicheren Erfolg schon Freundlichkeit verspricht.
Wer von der Armut Finsternis stets wird umhüllt,
den sieht man nicht trotz aller Mühe,
steht er auch ganz dicht vor uns bei Tageslicht.
Das Glücksgefühl, das Wein und Frau´n
Und Fleischgenuß dem Menschen spendet,
Den Toren führts zum Untergang,
Des Weisen Sinn zum Heil es wendet.
Durch Tätigkeit gelingt ein Werk,
durch Wünschen kann man nichts vollbringen.
Ob wohl dem Löwen, wenn er schläft,
Gazellen in den Rachen springen?
Wo man mit Ernst beginnt ein Werk zu treiben,
wo man die schlaffe Trägheit niederhält,
wo zu der Klugheit sich der Mut gesellt,
da wohnt das Glück, da will es bleiben.
Man schließe keinen Bund mit dem,
der nichts von Recht und Wahrheit hält;
er fällt gar bald aus Bosheit ab,
hat er auch fest sich uns gesellt.
So höre und beherzige nun den Spruch,
der alle Sittenlehren in sich schließt:
Sollst niemals einem anderen tun,
was dich, wenn dir´s von andern wiederfährt, verdrießt.
Wer einen Feind zum Freunde wählt,
der ihn an Stärke übertrifft,
der nimmt, das ist ganz zweifellos,
der nimmt aus eigenem Antrieb Gift.
Ein Zorn, der aus bestimmten Grund entstand,
legt sich von selbst, sobald der Anlaß schwand;
doch Zorn, der ohne Grund ein Herz erfüllt,
undenkbar ist´s, daß den ein andrer stillt!
Wissen, nicht das Auge, Sicht verleiht;
Tugend adelt, vornehme Geburt mitnichten!
wahrer Reichtum ist Genügsamkeit,
Weisheit heißt: auf Unerreichbares verzichten.
.-.-.-.
Quelle: Übersetzer unbekannt, tantrische Quellliteratur (leider) ebenso, jedoch sicherlich vedanta/monismus, nach 500 n .Chr.
Heyne Ex Libris – Indische Weisheiten, Manfred Kluge 1981 // erhältlich bei Atrium Antiquariat, D-37073 Göttingen
Comments are closed.