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Wirkende Kräfte

Die neun Planeten sind die eigentlichen Akteure, die Wirkung hervorbringenden Kräfte im Horoskop. Der Charakter und das Schicksal eines Menschen werden in Jyotish entsprechend der Stellung am Himmel beschrieben, den die Planeten im Moment der Geburt, vom Ort der Geburt aus gesehen, einnehmen. Da die Planeten in der Astrologie relativ zu einem bestimmten Ort auf der Erde betrachtet werden und sie sich aus der Perspektive dieses Ortes über den Himmel „bewegen“, werden sie alle als Planeten bezeichnet – „Planet“ bedeutet wörtlich „der Umherschweifende“. Anders als in der Astronomie werden daher Sonne und Mond ebenso wie die beiden Mondknoten in der Astrologie als Planeten bezeichnet.

Wie schon erwähnt ist das Sanskritwort für Planet „Graha“ und bedeutet soviel wie „Greifer“. Die physischen Himmelskörper und die beiden abstrakten, nicht-physischen Mondknoten werden in der vedischen Astrologie als Repräsentanten der elementarsten Naturgesetze oder der kosmischen Bewusstseinskräfte angesehen, die alle Aktivität im Kosmos organisieren und koordinieren und dieser Aufgabe entsprechend jederzeit Zugriff auf jeden individuellen Aktivitätskomplex (Ego) im Universum haben.

Aus der Sicht des Veda ist Bewusstsein die grundlegendste Realität. Alle Prozesse im Universum finden im Bewusstsein statt und bestehen aus Bewusstsein. Realität ist Bewusstsein. Das Universum ist eine Simulation innerhalb des einen Bewusst-Seins, das zu Recht groß genannt wird. Übrigens haben auch viele europäische Wahrheitssucher diese vedische Sicht der Wirklichkeit nachvollzogen, u.a. Schopenhauer („Die Welt als Wille und Vorstellung“) und Platon („Ideenlehre“). Materie wird als verdichtetes Bewusstsein beschrieben. Materielle Objekte sind aus dieser Perspektive sich in einem bestimmten Muster wiederholende Denkstrukturen, denen das zentrale Bewusstsein keine besondere Aufmerksamkeit mehr widmen möchte und die daher automatisiert wurden.

Wenn die eigentliche Realität Bewusstsein ist, dann ist das Universum „Jemand“ und nicht „etwas“. Die grundlegenden Naturgesetze sind Bewusstseinskräfte und auch sie sind nicht etwas, sondern Jemand. Ein Sonnensystem ist Jemand, die Sonne ist Jemand, die Erde ist Jemand und die Planeten sind ebenso Jemand. Das Sanskritwort für „Jemand“ ist „Purusha“. Wie man an dem obigen Bild der neun Planeten erkennen kann, werden die Planeten im Jyotish auch als Personen dargestellt.

Im Jyotish wird das Universum „Kalapurusha“ oder „Zeit-Person“ genannt. Galaxien und Sonnensysteme sind verkleinerte Projektionen dieses Kalapurusha. Die Planeten werden als die grundlegendsten Kräfte oder Aspekte des Kalapurusha beschrieben. Die folgende Tabelle listet die Planeten und ihre Funktionen innerhalb des Kalapurusha auf. Die sieben Planeten von Sonne bis Saturn werden dabei immer in derselben Reihenfolge aufgeführt wie die Tage der Woche, denen sie entsprechen – also von Sonntag/Sunday (Sonne) bis Samstag/Saturday (Saturn). Den beiden Mondknoten ist kein Wochentag zugeordnet.

Tabelle der Planeten

GRAHA PLANET TAG BEDEUTUNG IN JYOTISH
Surya Sonne So Selbst-Bewusstsein, Gesundheit, Souveränität, Ich
Chandra Mond Mo Denken, Geist, Fühlen, Aufmerksamkeit
Mangal Mars Di Stärke, Durchsetzung, Kampf, Streit
Buddha Merkur Mi Sprache, ordnende Intelligenz, Organisation
Guru Jupiter Do Wissen, Erfolg, Freude, Sinn
Shukra Venus Fr Verlangen, Sinnenlust, Sehnsucht, Abhängigkeit
Shani Saturn Sa Sorge, Sicherheit, Ruhe, Härte
Rahu Drachenkopf Begierde, Unbewusstheit, Triebhaftigkeit
Ketu Drachenschwanz Freiheitsdrang, Sensibilisierung, Irritation

Der zentrale erste Begriff ist jeweils farbig hervorgehoben. Die Sonne ist also die Seele oder das Selbst der kosmischen Person, der Mond sein Geist oder sein Denken, der Mars seine Stärke, der Merkur seine Sprachfähigkeit, Jupiter sein Wissen, Venus seine Wunschnatur und Saturn sein Kummer oder seine Sorge. Diese Beschreibung der Planeten als Funktionen des Jemand, der das Universum ist, gibt Maharishi Parashara im 3. Kapitel seines Werkes „Brihat Parashara Hora Shastra“, Verse 12-13.

Die kleinen menschlichen „Jemands“, die auf der Erde geboren werden, sind eine Nachbildung des kosmischen Purusha. Tatsächlich wird in vielen vedischen Texten das Wort „Purusha“ in der Bedeutung von „Mensch“ gebraucht. Sämtliche Kräfte und Strukturen, die innerhalb des großen kosmischen Purushas wirken, finden sich in den kleinen Purushas, den Menschen, wieder.

yatha pinde tatha brahmande

– „Wie der Körper, so das Universum“, heißt es in den vedischen Schriften.

Das Universum ist das Spiel des Bewusstseins. Es ist die Natur des Kalapurusha, ins Unendliche alle denkbaren und möglichen Zustände seiner selbst zu erleben und durchzuspielen, um sich an seinem eigenen unendlichen Potential zu erfreuen. Die obige Tabelle der Planeten kann schon einen ersten Hinweis auf die Gesetzmäßigkeiten dieser unermesslichen Kombinationsfreude geben. Dabei kann man die Planeten in ihren unterschiedlichen Positionen am Himmel als verschiebbare Regler ansehen und sich dann fragen:

Wenn sich z.B. viel Stärke (Mars im Horoskop stark) mit mittlerer Intelligenz (Merkur mittelstark), wenig Selbstbewusstsein (Sonne schwach) und einer starken Wunschnatur (Venus stark), Unfähigkeit zu Stabilität (Saturn schwach) und großer Wachheit (Mond stark) verbinden – was für Erfahrungen werden daraus entstehen? Wie wird sich ein so beschaffenes Wesen in unterschiedlichen Situationen verhalten? – Jedes menschliche Leben kann von Jyotish her als eine detaillierte Antwort auf Fragestellungen dieser Art beschrieben werden, wobei im Geburtshoroskop nicht nur alle neun Planeten sich in einem bestimmten Zustand von Stärke und Schwäche befinden, sondern ihnen auch noch spezifische Aufgaben zugewiesen werden und sie zudem zu verschiedenen Zeiten ganz unterschiedlich miteinander interagieren.

Daraus ergeben sich für jeden Menschen sehr komplexe Aktivitätsmuster, die sein Leben und seine Erfahrungen bestimmen. Wenn ein Mensch zu einer bestimmten Zeit an einem bestimmten Ort geboren wird, manifestiert sich in ihm ein ganz spezifisches Aktivitätsmuster der grundlegenden kosmischen Kräfte, die innerhalb des Kalapurusha zu dieser Zeit wirken und sein Leben manifestiert die komplexen Möglichkeiten dieser Struktur unter einer Vielzahl von Gesichtspunkten. Die Interpretation des Jyotish-Horoskops eines Menschen stellt eine vereinfachte Möglichkeit dar, diese hochkomplexen Aktivitätsmuster und ihre Entfaltung in der Zeit zu beschreiben und zu verstehen.

Um von der Stellung der Planeten in einem Horoskop Rückschlüsse auf Eigenschaften und Verhaltensweisen eines Menschen sowie auf Ereignisse in seinem Leben Rückschlüsse zu ziehen, ist jedesmal geistig ein sehr weiter Weg zurückzulegen von der abstrakten Formelsprache der Jyotish-Prinzipien bis hin zu den konkreten und sehr komplexen Aktivitäten, die das menschliche Leben ausmachen. Um diesen Weg erfolgreich zu beschreiten, braucht es Wissen, Kunstfertigkeit und Intuition – wobei Intuition nicht heißt, dass man einem bloßen Gefühl folgt, sondern dass man fähig sein muss, eine Vielzahl von Faktoren gleichzeitig im Blick zu behalten und sie auf ganzheitliche Weise und in angemessener Gewichtung korrekt zu kombinieren, spielerisch und präzise zugleich.

Die vedischen Schriften lassen keinen Zweifel daran, dass dies nur einem Jyotishi gelingen kann, der nicht nur fundiertes astrologisches Fachwissen besitzt, sondern sich auch persönlich, intensiv und mit Erfolg, den vedischen Disziplinen der Persönlichkeitsentwicklung vermittels Yoga und Meditation gewidmet hat, so dass er eine Sicht des Lebens besitzt, die möglichst nicht mehr individuell begrenzt, sondern kosmisch ist, d.h. frei von Verzerrungen, Parteilichkeit und Vorurteilen. Um gar das Ideal einer Perfektion in Jyotish zu verwirklichen, ist vollkommene Erleuchtung eine unabdingbare Vorraussetzung, denn die geistigen Anforderungen, die Jyotish stellt, sind ungeheuer hoch.

Innerhalb des Veda ist Jyotish ein anerkanntes und hochgeehrtes „Familienmitglied“ und die Astrologie ist in Theorie und Praxis voll integriert in das Gesamtsystem der vedischen Wissenschaft.

Bevor wir die Planeten einzeln besprechen, wollen wir sie in einem systematischen Zusammenhang betrachten und sie in Zusammenhang mit dem Sankhya-System der vedischen Wissenschaft darstellen.

Auch ist hier der jeweilige Zugang allgemein zu betrachten, philosphisch, aus dem Ayurveda, Yoga, Tantra…

 

Das beste Licht

Jyotish ist ein Teilgebiet des Veda. Es wird „Dschjotisch“ ausgesprochen und bedeutet übersetzt: das beste Licht. Was ist mit „bestes Licht“ gemeint? Das lebensspendende Licht der Sonne ist ein mit dem Sehsinn wahrnehmbarer Ausdruck dieses besten Lichtes: des Lichtes des Bewusstseins, aus welchem dem Veda zufolge das gesamte Universum hervorgeht und in dem es jederzeit gegründet ist. „Vereinheitlichtes Feld“ ist die Bezeichnung der modernen Naturwissenschaft für dieses „beste Licht“, die Religion nennt es Gott, der Veda gebraucht oft den Ausdruck Brahman. Wie auch immer man es bezeichnet: es ist die allumfassende eine REALITÄT des Lebens, in welche die gesamte kosmische Aktivität jederzeit eingebunden ist.

Der Veda ist die Wissenschaft des Bewusstseins und Jyotish als Spezialgebiet des Veda zeigt auf, wie jede Individualität aus dem alldurchdringenden Feld des Bewusstseins aufgebaut wird und ihre Aktivität im Einklang mit den kosmischen Gesetzen entfaltet. Nichts ist Zufall, jede Aktivität im Universum, auch die vermeintlich willkürliche und vordergründig von zahlreichen Zufälligkeiten geprägte individuelle Aktivität eines Menschen, sein persönliches Leben, ist in Ordnung eingebettet, ist Teil der kosmischen Aktivität, so wie eine Welle Ausdruck der Gesamtaktivität des Ozeans ist. Jyotish lässt diesen Zusammenhang erkennen.

Die Grahas – Naturgesetze mit vollen Zugriffsrechten

Jedes Handeln beginnt mit einem Gedanken- oder Wunschimpuls. Die meisten Menschen sind der Überzeugung, dass sie es sind, die handeln, weil sie diese Impulse in ihrem eigenen Bewusstsein, in ihrem Inneren wahrnehmen. Aber was bringt diese Denk- oder Wunschimpulse im Inneren der Individuen hervor? Aus der Sicht von Jyotish sind dies die Planeten, die Grahas. Das Sanskritwort Graha bedeutet soviel wie „Greifer“. Die am Himmel sichtbaren physischen Planeten sind nur die grobstofflichen Repräsentanten der grundlegendsten kosmischen Bewusstseinskräfte, die alle Aktivität im Kosmos organisieren und die ihrer Natur und ihrer Aufgabe entsprechend Zugriff auf jeden individuellen Aktivitätskomplex (Ego) im Universum haben.

Die neun Planeten – Navagraha – repräsentieren also die grundlegendsten Naturgesetze, die alle Evolutionsprozesse im Universum organisieren und koordinieren. Jeder Mensch hat in seinem Gehirn ein „Planetarium“ eingebaut, das nicht nur die Informationen darüber beinhaltet, wo die neun Planeten sich gerade befinden, sondern das zudem auch als Impulsgeber dient, um sein individuelles Handeln und seine Wahrnehmung mit den Aktivitäten aller anderen Lebewesen und Prozesse im Sonnensystem abzustimmen. Jede geistige und körperliche Aktivität eines Menschen wird von diesen Impulsen geleitet. Die individuelle Aktivität ist eine Funktion der kosmischen Aktivität. Sich dessen nicht bewusst zu sein, ist Egowahn, Unwissenheit. In Unwissenheit begeht man Fehler, man verstößt gegen die Gesetze der kosmischen Ordnung. Wenn man Fehler macht, ist Leiden die Folge. Wissen beseitigt die Ursache für Leiden.

Wenn man sich mit Jyotish beschäftigt, lernt man, dass das eigene Leben kosmisch ist, ganz und gar eingebettet in das Gesamtmuster, in die Dynamik der kosmischen Evolution, deren Ziel es ist, überall im unendlich expandierenden Universum den Punktwert der individuellen Existenz zur Unbegrenztheit der kosmischen Realität auszudehnen. Diese Evolution ist wesentlich eine Evolution des Bewusstseins. Indem man sich dessen bewusst wird, gewinnt die eigene Bewusstseinsentwicklung an Ordnung und Dynamik. Dies ist der eigentliche Sinn der Beschäftigung mit Jyotish – sie weckt in dem Bewusstsein, das sich in Kleinheit verloren hat, die Erinnerung an das, was groß ist.

  Die Samkhya-Philosophie (vgl. auch Beitrag ayurveda)Ein Grundkonzept des Veda

Das Sankhya-System ist ein ganz grundlegendes Konzept des Veda, das in der Bhagavad Gita, den Puranas, den Yoga-Sutras und zahlreichen anderen Werken der vedischen Literatur zumeist stillschweigend als bekannt vorausgesetzt wird.

Sankhya – die Aufzählung der 25 Prinzipien

Das Sanskrit-Wort Sankhya bedeutet soviel wie „Die Aufzählung betreffend“. Sankhya listet die 25 Komponenten auf, die in jedem Aspekt der Wirklichkeit als Bestandteile nachweisbar sein müssen, damit dessen Realität als gesichert gelten kann. Diese „Auflistung“ von Sankhya vermittelt ein sehr geordnetes Bild vom Aufbau des Universums und des menschlichen Lebens. Diese Ordnung findet sich, wie schon erwähnt, in vielen vedischen Schriften wieder – von den Yoga-Sutras bis hin zur Vedanta-Philosophie und den Upanishaden.

Erst, wenn man das Sankhya-System kennt, bemerkt man, wie präzise solche Begriffe wie „Intellekt“, „Ego“ oder „Geist“ in den vedischen Schriften verwendet werden und auch, wie wenig dieser Präzision oft in Übersetzungen Rechnung getragen wird.

Die 25 Komponenten von Sankhya sind: Das Selbst, die Natur, der Intellekt, das Ego, der Geist, 5 Sinne der Wahrnehmung, 5 Sinne des Handelns, 5 feinstoffliche Elemente, 5 grobstoffliche Elemente. Die Einteilung in genau diese 25 Prinzipien ist keine willkürliche Gedankenkonstruktion, sondern spiegelt die Realität wider. Ihre Existenz kann durch Erfahrung bestätigt werden.

Sankhya und die Planeten im Jyotish

Aus der Sicht von Jyotish ist Sankhya deshalb so interessant, weil es möglicht macht, auf sehr systematische Weise die neun Planeten als Elemente der kosmischen Ordnung und ebenso als Elemente des Aufbaus der menschlichen Persönlichkeit, des „kleinen Kosmos“, einzuordnen.

Die Zweiheit: Purusha und Prakriti – Selbst und Natur

Die erste und wichtigste Unterteilung ist die in Purusha und Prakriti. Der Purusha ist das Bewusstsein, das kosmische Subjekt. Die Prakriti ist die Materie, der Inbegriff der Welt der Objekte. Beide sind in ihren Eigenschaften ganz und gar entgegengesetzt. Die Prakriti wird im Sankhya-System als unentfaltete Urmaterie aufgefasst; Mahat, Ahamkara, Manas usw. sind dann entfaltete, aktivierte, differenzierte Zustandsformen von Prakriti, von Materie oder Natur, d.h. sie gehören zu Prakriti, obwohl andererseits Prakriti selbst, in ihrem unentfalteten Zustand, als eigenes Element in Sankhya aufgeführt wird.

Die folgende Tabelle listet die Eigenschaften von Purusha und Prakriti auf:

     
  PURUSHA PRAKRITI
  Bewusstsein Materie
  Absolut Relativ
  Männlich Weiblich
  Unveränderlich Veränderlich
  Sein Nichtsein
  Realität Schein
  Eines Vieles
  Stille Aktivität
  Potential Verwirklichung
  Subjekt Objekt
  Erkenner Erkanntes
  Feld-Kenner Feld

Nun sollen die 25 Komponenten im einzelnen beschrieben werden:

1. Purusha – das Selbst

Der Purusha ist das absolute Bewusstsein. Absolut heißt: er existiert nur für sich selbst, ist unabhängig von irgend etwas anderem, d.h. vollkommen unabhängig und frei von der Prakriti und ihren Ausdrucksformen – vom kosmischen Intellekt bis hin zu den groben Elementen. Er ist frei, selbstgenügsam. Es gibt keinerlei Beziehung oder Wechselwirkung zwischen ihm und der Prakriti. Er ist der stille, unbeteiligte Zeuge von allem, was im Bereich der Prakriti an Aktivitäten stattfindet. Der Purusha ist der Erkenner von allem – von sich selbst und der Prakriti. Dass er die Prakriti erkennt, bedeutet wohlgemerkt in keiner Weise, dass er dadurch eine Verbindung mit der Prakriti einginge!

Es ist sinnvoll, ihn als erstes aufzuführen. Allerdings wird er oftmals in den klassischen Sankhya-Schriften (den Sankhya-Sutras und der Sankhya-Karika) auch als „der Fünfundzwanzigste“ bezeichnet. Der Purusha ist vom Universum aus gesehen das kosmische Selbst und vom Menschen aus betrachtet das innere Selbst, der Atman, das transzendentale, reine Bewusstsein. Er ist das Sein, die Existenz, die eigentliche Wirklichkeit, jenseits von Zeit und Raum, jenseits des Handelns und jenseits des Denkens. Der Purusha ist ein unbegrenztes Potential von Intelligenz, reine Subjektivität.

Der Purusha wird im Jyotish durch Ketu, den absteigenden Mondknoten, repräsentiert.

2. Prakriti – die Natur

Die Prakriti kommt in der Sankhya-Philosophie in zwei Bedeutungen vor: Einmal als eines der 25 Prinzipien, dann wird sie als undifferenzierte Urmaterie aufgefasst – eine Masse bewusstloser Dunkelheit, das „schwarze Loch“. Zum zweiten wird sie selbst mitsamt ihren 23 differenzierten Zuständen unter dem Begriff Prakriti zusammengefasst und dieser Begriff von Prakriti kann dann am besten mit Natur oder das materielle Universum übersetzt werden.

Prakriti ist das Prinzip, das alle Formen von Aktivität (kriti) hervorbringt (pra). In ihrem undifferenzierten Zustand ist sie eine formlose Masse von Nicht-Sein, völlig unstrukturiert, leblos, bewusstlos, intelligenzlos, vollkommen träge, schwer und dunkel, reine Objektivität – der dunkle Mutterschoß aller Wesen und Dinge. Prakriti ist durch Worte nicht zu beschreiben.

In ihr sind die drei Gunas im Zustand des Gleichgewichts enthalten. Prakriti ist auch in ihrem undifferenzierten Zustand nicht in Ruhe, obwohl es nach der obigen Beschreibung so erscheinen mag. Sie ist vielmehr in sich brodelnde Aktivität, unermessliches Chaos, totale Vergänglichkeit – voll von Vielfalt, Aktionen und Gegensätzen, die sich aber vollständig gegenseitig aufheben, so dass keine Formen und Aktivitäten in Erscheinung treten.

Wie entsteht aus ihr das Universum mit all seinen Formen und Aktivitäten? – Die Sankhya-Philosophie sagt, dass durch die Anwesenheit oder infolge der Nähe zum Purusha die Prakriti beginnt, Leben zu atmen und den Kosmos hervorbringt. Es ist in keiner Weise so, dass der Purusha etwas täte, sondern durch seine bloße Gegenwart beginnt die Prakriti, tätig zu werden. Sie, die ohne Bewusstsein, ohne Sein, ohne Leben, ohne Intelligenz ist, beginnt so ein ganzes Universum von Leben hervorzubringen – und sie tut dies für den Purusha, ähnlich wie Schauspieler ein Theaterstück nicht für sich selbst, sondern für den Zuschauer darstellen.

Die Prakriti wird im Jyotish durch Rahu, den aufsteigenden Mondknoten, repräsentiert.

3. Mahat oder Buddhi – der kosmische Intellekt

Als erste Form der Manifestation von Prakriti tritt Mahat in Erscheinung. Mahat bedeutet „der Große“. Ein anderer Name für dieses Prinzip ist Buddhi – „Intelligenz“ oder „Intellekt“. Mahat ist das unermessliche Feld universaler Aktivität, das Universum selbst mit all seinen Formen, in permanenter Aktivität begriffen, die Urkraft der Evolution, der kosmische Wille, das Gesetz des Lebens oder Naturgesetz in seiner spontanen, allumfassenden, alles integrierenden, allnährenden Kreativität.

Mahat ist innerhalb von Prakriti das feinste Prinzip und ist „am nächsten“ zum Purusha. Es ist die glanzreiche, bezaubernde Ebene der kosmischen kreativen Intelligenz in Aktion, die auch Mahamaya, Mahashakti oder Anandamaya genannt wird. Allerdings ist die überwältigende Ausstrahlung der himmlischen Realität von Mahat in Wahrheit nur ein Abglanz der unendlichen selbstleuchtenden Wirklichkeit des Purusha, des kosmischen Selbst. Im Menschen tritt Mahat als Buddhi, als die innere, führende Intelligenz, als Intellekt in Erscheinung. Über seinen Intellekt als „inneren Kompass“ erhält ein Mensch die Beziehung zur kosmischen Evolution, zum Leben selbst aufrecht und damit seine eigene innere Ordnung, sein Dharma, seine innere Natur.

Aus dieser Beschreibung wird deutlich, daß der Begriff „Intellekt“ hier eine andere Bedeutung hat als es der Fall ist, wenn man von einem „Intellektuellen“ spricht und damit einen kopfbetonten Menschen meint, der viele Bücher liest und mit Fremdworten gespickte komplizierte Formulierungen hervorbringt. Buddhi, der Intellekt der Sankhya-Philosophie, ist etwas sehr viel grundlegenderes: der Sinn für Wirklichkeit, für Wahrheit, für die Ganzheit des Lebens. In seinem feinsten Wert ist der Intellekt identisch mit Gefühl, mit vollendeter Intuition. Auf der Ebene von Perfektion unterscheidet der Intellekt das Wahre vom Falschen, die Wirklichkeit vom Trug so spontan, schnell und effektiv, dass der falsche Gedanke garnicht erst entsteht. Dies ist der Fall, wenn – im Zustand kosmischen Bewusstseins – der „im Selbst gefestigte Intellekt“ auf der Ebene von ritam bhara pragyan funktioniert.

Buddhi wird im Jyotish durch Buddha, Merkur, repräsentiert.

4. Ahamkara – das Ich oder Ego-Prinzip

Nach Mahat stellt der Ahamkara die zweite Stufe der Manifestation von Prakriti dar. Ahamkara bedeutet „Ich (aham) als ein Handelnder (kara)“. Er ist das Individualisierungsprinzip und bewirkt, dass jede große oder kleine Welle im Ozean der kosmischen Aktivität von Mahat sich als eine eigene, unabhängige Realität auffasst und sich als Urheber von Handlungen begreift.

Innerhalb des Feldes universaler Aktivität (Mahat) entstehen so eine Vielzahl von Ich-Zentren (Ahamkara). Jedes Ich baut, indem es den Unterschied zwischen sich selbst und allem anderen zum Prinzip erhebt, seine eigene Welt auf. Der Ahamkara beurteilt alles Geschehen aus seiner Ich-Perspektive heraus. Auch einzelne Aspekte des Ich fassen sich selbst wiederum als individuelle, eigenständige, tätige, Einheit auf. So entstehen das Ich einer Galaxie, das Ich eines Sonnensystems, eines Planeten, eines Kontinents, eines Landes, einer Stadt, einer Familie, eines Menschen, eines Organs, einer Zelle, eines Moleküs, eines Atoms usw.

Ahamkara wird im Jyotish durch Surya, die Sonne, repräsentiert.

5. Manas – der Geist

Auf der Ebene von Manas tritt die durch Ahamkara modifizierte und und durch eine Ego-Perspektive gefilterte Aktivität von Mahat als steter Strom des Bewusstseins, als persönliches Denken und Fühlen, hervor. Manas wird im Englischen meistens als „mind“ übersetzt, in deutschen Übersetzungen vedischer Schriften als „Geist“, „Denkorgan“ und – wegen der möglichen Verwechslung mit Buddhi, dem Intellekt – etwas unglücklich auch als „Verstand“.

Man sollte sich beim Lesen der klassischen vedischen Texte bewusst sein, dass sie sich in ihren Ausdrücken immer sehr präzise auf eine genau definierte Ebene der Wirklichkeit – Atman, Buddhi, Ahamkara oder Manas – beziehen. Wenn die deutsche Übersetzung dieser Präzision nicht Rechnung trägt, sollte man den Sanskrit-Text zu Hilfe nehmen oder versuchen, aufgrund der eigenen Kenntnis von dem, was Atman, Buddhi, Ahamkara und Manas ist, sich darüber klar zu werden, was angesprochen ist. Es macht im Verständnis z.B. einen sehr großen Unterschied, ob mit dem deutschen Wort „Seele“ das Selbst (Atman, Purusha), das Ego (Ahamkara) oder der Geist (Manas) gemeint sind!

Ein wichtiger Aspekt von Manas ist das Prinzip der gerichteten Aufmerksamkeit. So wie diejenigen Pflanzen wachsen, die man gießt, so wachsen und gedeihen diejenigen Dinge des Lebens, die mit Aufmerksamkeit bedacht werden, d.h. denen die Bewusstseinsenergie zufließt. Dieser alles-ernährende Scheinwerferkegel des Bewusstseins ist Manas.

Manas ist Bewusstsein in Bewegung, stets aktiv. „Bewusstseinsstrom“ ist ein sehr passender Ausdruck: ein steter Fluss von Gedanken, Gefühlen, Erinnerungen, Phantasien, Wahrnehmungen und der Fluss selbst heißt Manas. „Psyche“ ist auch ein recht gut zutreffendes Wort. Manas ist das Organ der nach innen oder außen gerichteten Wahrnehmung. Das, was ein Mensch wahrnimmt, nimmt er als wahr an, es macht seine Wirklichkeit aus.

Manas wird im Jyotish durch Chandra, den Mond, repräsentiert.

6 – 10. janandriyas – Die fünf Sinne der Wahrnehmung

Über die Sinne der Wahrnehmung wendet sich Manas, der Geist, der äußeren Wirklichkeit zu. Gyana heißt Wissen und die Indriyas sind die Sinne. Die fünf Sinne der Wahrnehmung sind: Hören, Tasten, Sehen, Schmecken und Riechen, wobei in dieser Reihenfolge die erstgenannten immer feiner und freier (weniger an ihren Gegenstand bindend) sind, als die später genannten.

Die Indriyas sind nicht zu verwechseln mit den physischen Sinnesorganen wie Ohr, Auge usw. Sie sind dynamische Prinzipien und gehören noch zum subjektiven, geistigen Bereich der Schöpfung. In den traditionellen Sankhya-Schriften wird Manas – der Geist, in dem die fünf Sinne der Wahrnehmung gegründet sind – selbst auch oft als „Sinn“ bezeichnet.

Die jnanandriyas werden im Jyotish durch Shukra, Venus, repräsentiert.

11 – 15. Karmendriyas – Die fünf Sinne des Handelns

Karmendriya setzt sich zusammen aus Karma = Handlung und Indriya = Sinn. Die fünf Sinne der Handlung sind Hände, Füße, Zunge, die Organe der Fortpflanzung und die Organe der Ausscheidung.

Die Karmendriyas werden im Jyotish durch Mangal, Mars, repräsentiert.

16 – 20. Tanmatras – die fünf Essenzen

Die Tanmatras bilden die Objekte für die Sinne der Wahrnehmung und die Grundlage für die fünf Elemente. Man kann sie Essenzen, Substanzen oder feinstoffliche Materie-Baupläne nennen – Im deutschen gibt es im allgemeinen Sprachgebrauch keine gängigen Bezeichnungen für sie – aber die vedischen Seher, die Rishis, die sich mit der Programmierung des Universums auskennen, wissen, dass sie ein wesentlicher Bestandteil des Ganzen sind. In Sanskrit heißen sie: Shabda-Tanmatra (Essenz des Klanges), Sparsha-Tanmatra (Essenz des Tastens), Rupa-Tanmatra (Essenz der Form), Rasa-Tanmatra (Essenz des Geschmacks) und Gandha-Tanmatra (Essens des Geruchs) und sind in dieser Reihenfolge den fünf Gyanendriyas, den Sinnen der Wahrnehmung, sowie den nachfolgend beschriebenen fünf grobstofflichen Elementen zugeordnet.

Die Tanmatras gehören noch zum subjektiven, geistigen Bereich der Schöpfung und bilden dessen Grenze oder Außenposten. Jenseits der Tanmatras beginnt mit den Mahabhutas der objektive, materielle Aspekt von Prakriti.. Allerdings gelten in der Sankhya-Philosophie in einem strengeren Sinne alle Bestandteile von Prakriti als materiell – auch der Intellekt und Geist, die in unserem üblichen Sprachgebrauch als geistige Prinzipien aufgefasst werden. Geistig, nicht-materiell ist einzig und allein der Purusha, alles andere ist Materie.

Die Tanmatras werden im Jyotish durch Guru, Jupiter, repräsentiert.

21 – 25. Mahabhutas – die fünf grobstofflichen Elemente

Die Mahabhutas sind: Akasha (Raum), Vayu (Luft), Tejas (Feuer), Apas (Wasser) und Prithivi (Erde). Sie bilden den konkretesten Aspekt der Schöpfung: die materielle Welt. Auffällig ist, dass es fünf Elemente sind: neben den uns vertrauten vier Elementen Luft, Feuer, Wasser und Erde wird noch Akasha, der Raum oder Äther, aufgeführt. Akasha ist das feinste, subtilste der fünf Elemente. Ihm – und nicht etwa der Luft (!) – ist der Hörsinn zugeordnet. Um halbwegs eine Vorstellung davon zu bekommen, was Akasha ist, könnte man ihn mit „unmanifestiertes Raum-Zeit-Kontinuum“ übersetzen.

Der unbegrenzte, unmanifestierte Akasha bildet die Grundlage für den gesamten Bereich der im engeren Sinne materiellen Schöpfung und stellt für sie gleichsam eine absoluten, unveränderlichen Hintergrund dar.

Die Mahabhutas werden im Jyotish durch Shani, Saturn, repräsentiert.

Systematik der 25

Sankhya stellt die 25 Bestandteile des Universums sehr systematisch dar. Von fein nach grob wird dabei ein stufenweiser Vorgang der Manifestation der Schöpfung beschrieben. Die innerste Wirklichkeit von allem, was existiert, ist der Purusha, das absolute Bewusstsein, das Selbst, das Subjekt, der Beobachter. Prakriti, die Matrix des Universums, umfasst alles, was als Objekt wahrgenommen werden kann. Die erste Manifestation von Prakriti und somit ihr feinster, innerlichster Aspekt ist Buddhi oder Mahat, der entscheidende Intellekt oder kosmische Wille. Mahat entfaltet sich zu Ahamkara, dem Ego-Prinzip, dessen in sich selbst zurückgreifende Dynamik in Gestalt eines Strudels u.a. auch die Form von Galaxien und Sonnensystemen bestimmt. Ahamkara schafft sich als Instrument Manas, den aktiven Geist. Manas projeziert sich mittels der Indriyas, der Sinne, nach außen. Über die Indriyas werden die Tanmatras, die Essenzen, als Vorstellungs-Objekte geschaffen, die sich schließlich zu den physischen Mahabhutas, den fünf Elementen, verdichten.